Einreise trotz Sperre:Seehofer spricht von einem "Skandal" - hat er recht?

Grenzkontrolle an der deutsch-österreichischen Grenze

Bundespolizisten kontrollieren im bayerischen Kiefersfelden aus Österreich kommende Fahrzeuge.

(Foto: dpa)

Wie viele Menschen trotz Verbots wieder nach Deutschland einreisen. Und wann die Bundespolizei Asylsuchende abweisen darf. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Jan Bielicki

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) macht Ernst: Seit Dienstag weist die Bundespolizei an der deutsch-österreichischen Grenze Reisende ab, gegen die ein Einreise- und Aufenthaltsverbot besteht - und zwar anders als bisher "auch dann, wenn sie ein Schutzgesuch stellen", wie ein Polizeisprecher in Potsdam bestätigte. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Maßnahme gebilligt - ein kleiner Kompromiss in ihrem Streit mit Seehofer. Der hatte die Einreise von Personen trotz Einreisesperre "Skandal" genannt. Ist es das? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wer wird mit Einreisesperren belegt?

Ausländer, die "ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben" worden sind, dürfen nicht erneut ins Bundesgebiet einreisen und sich nicht dort aufhalten. So beschreibt das Aufenthaltsgesetz das offiziell so genannte "Einreise- und Aufenthaltsverbot". Es untersagt die Einreise für eine bestimmte Frist, die außer für Straftäter oder Gefährder nicht länger als fünf Jahre sein darf. Wer trotz Verbots erwischt wird, dem drohen bis zu drei Jahre Haft.

Wie viele solcher Einreisesperren verhängen die Behörden?

Jede Menge. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot ist Bestandteil jeder Abschiebeanordnung, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) verschickt, wenn es einen Asylantrag abgelehnt hat. 2017 erließ allein das Bamf etwa 286 000 solcher Wiedereinreiseverbote.

Und wie viele Menschen reisen trotz dieses Verbots wieder ein?

Offenbar nur sehr wenige. 2017 stellten die Behörden gerade einmal 1563 unerlaubt eingereiste Personen fest, für die eine Wiedereinreisesperre ausgeschrieben war, wie das Bundesinnenministerium auf Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion antwortete. In der Zahl sind nicht nur Flüchtlinge enthalten, sondern auch Ausländer, die etwa nach Straftaten ausgewiesen wurden.

Wie viele dieser Leute werden an der Grenze abgewiesen?

Dazu gibt es keine Zahlen. Grundsätzlich galt bisher: Wer ohne Papiere oder trotz Einreisesperre an der Grenze aufgegriffen wird und kein Asylgesuch stellt, den kann die Bundespolizei problemlos zurückweisen. Das taten die Beamten 2017 mit 12 370 Personen. Wer jedoch ein Asylgesuch stellt, wird eingelassen.

Gilt das auch für Antragsteller, die eigentlich ein Einreiseverbot haben?

Seit Dienstag nicht mehr. In Einzelfällen, so der Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek, konnten Bundespolizisten eine Person aber schon bisher abweisen, wenn sie keine Hinweise auf neue Asylgründe erkannten. Wenn doch, ging der Fall wieder zur Prüfung ans Bamf.

Was ist mit Menschen, die schon einmal in den EU-Staat überstellt wurden, der für ihren Asylantrag zuständig ist - und die trotzdem wieder an der deutschen Grenze auftauchen? Lassen sie sich einfach abweisen?

Rechtlich ist das nicht so einfach. Denn hier gilt die Dublin-III-Verordnung der Europäischen Union, und die sieht vor, dass ein Asylbewerber in den EU-Staat geschickt wird, der für ihn zuständig ist - in der Regel das EU-Land, das er zuerst betreten hat. Das war meist Italien oder Griechenland. Ihn einfach nach Österreich abzuweisen, ist im Dublin-System nicht vorgesehen. Und vor jeder Überstellung muss eine Prüfung stehen. "Es könnte ja sein, dass inzwischen systematische Mängel im Asylverfahren in Italien aufgetreten sind, die nunmehr eine Rücküberstellung ausschließen", sagt die Völkerrechtlerin Anuscheh Farahat von der Uni Frankfurt.

Lässt sich dieses Verfahren verkürzen?

Ja. Die Dublin-Verordnung erlaubt den Mitgliedstaaten ausdrücklich, unter sich Vereinbarungen zu treffen, um Verfahren zu vereinfachen und Fristen zu verkürzen. Das strebt die Kanzlerin an. Zurückweisungen müssten aber Nachbarstaaten wie Österreich oder die Schweiz zustimmen. Bislang sind sie nicht verpflichtet, Asylbewerber aus Deutschland aufzunehmen, für die nach EU-Regeln Italien zuständig ist.

Was passiert, wenn Deutschland einseitig Asylsuchende zurückweist?

Damit könnte Deutschland nach Meinung etlicher Völkerrechtler europäisches Recht brechen. Abgewiesene könnten klagen, zunächst vor deutschen Gerichten und schließlich vor dem Europäischen Gerichtshof. Bis die Luxemburger Richter entscheiden, kann es jedoch dauern.

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