Gregor Gysi:Vom Dissidenten-Anwalt zur Galionsfigur der Linken

Gregor Gysi hatte eine bewegte politische Karriere - es gab Herzinfarkte, Stasivorwürfe und große Erfolge. Ein Porträt in Bildern.

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Die Linke - Bundesparteitag

Quelle: dpa

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Gregor Gysi gibt den Fraktionsvorsitz der Linkspartei im Bundestag ab. Zweimal zehn Jahre hat er amtiert, zunächst bei der SED-Nachfolgepartei PDS. Nach der Fusion mit Oskar Lafontaines WASG leitete er die Fraktion der Linkspartei. Nun wird er Hinterbänkler aus freien Stücken. Rückblick auf eine Karriere.

Berlin, Demonstration; Rede Gregor Gysi

Quelle: Bundesarchiv

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Gysi studiert von von 1966 bis 1970 Jura an der Humboldt-Universität in Berlin. Seine Doktorarbeit schreibt der gebürtige Berliner 1976 über die "Vervollkommnung des sozialistischen Rechtes im Rechtsverwirklichungsprozeß". Bereits 1967 tritt Gysi der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) bei. Als Anwalt vertritt Gysi in der DDR prominente Dissidenten und Regimekritiker. Zu seinen Mandanten in Ostberlin zählen im Laufe der Zeit unter anderem Rudolf Bahro, Robert Havemann und Bärbel Bohley.

Gysi äußerte sich erstmals am 4. November 1989 in der Öffentlichkeit kritisch über das DDR-Regime. Während der ersten offiziell genehmigten, nicht staatlich gelenkten Demonstration auf dem Alexanderplatz in Ostberlin forderte der Rechtsanwalt ein neues Wahlrecht sowie ein Verfassungsgericht.

VOLKSKAMMERWAHL 1990

Quelle: STIEBING, HANS PETER

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Nach der Wende macht Gysi kurzeitig Karriere als SED-Vorsitzender. Nachdem die SED-Parteiführung unter Egon Krenz im Dezember 1989 zurücktritt, übernimmt zunächst ein Arbeitsausschuss die Parteigeschäfte. Als Gremiumsmitglied spricht Gysi auf dem Sonderparteitag der SED im Dezember 1989 und wird zum neuen Parteivorsitzenden gewählt. 1990 benennt sich die (mittlerweile) SED-PDS in (nur noch) PDS um und trennt sich von Krenz und nahezu allen andereren Mitgliedern der ehemaligen SED-Führungsriege.

Gregor Gysi im Cockpit eines Flugzeuges, 1996

Quelle: DPA-SZ

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Im Jahr 1992 gerät Gysi erstmals selbst in den Verdacht, inoffizieller Stasi-Mitarbeiter (IM) gewesen zu sein. Seine ehemalige Mandantin Bärbel Bohley greift ihn als angeblichen Zuträger der Stasi an. Auch der Spiegel erhebt bis 1995 mehrfach Vorwürfe, gegen die sich Gysi juristisch erfolgreich wehrt.

Der Immunitätsausschuss des Bundestags überprüft Gysis Stasi-Vergangenheit 1995 wegen eines konkreten Verdachts einer IM-Tätigkeit. Im März 1997 legt die Berliner Gauck-Behörde dem Ausschuss dann eine Ergänzung ihres Gutachtens von 1995 vor, in der sie schlussfolgert, dass Gysi von 1978 bis 1989 inoffizieller Stasi-Mitarbeiter gewesen sei. Auch dieses mal weißt Gysi die Vorwürfe zurück.

Gregor Gysi bei einem Benefiz-Fußballspiel, 1997

Quelle: AP

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Nach der Bundestagwahl 1998 zieht die PDS erstmals in Fraktionsstärke in den Bundestag ein. Gysi wird Vorsitzender. Wenige Monate später stellt der Immunitätsausschuss des Deutschen Bundestages mit einer Zweidrittelmehrheit schließlich eine Stasi-Mitarbeit von Gysi als erwiesen fest. Gysi habe von 1975 bis 1986 unter verschiedenen Decknamen dem Ministerium für Staatssicherheit zugearbeitet und Informationen über Mandanten weitergegeben. Man bezieht sich dabei auf zwei Berichte der Gauck-Behörde.

Gysi sieht durch das Verfahren seine Abgeordnetenrechte verletzt und klagt vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Verfassungshüter weisen Gysis Klage im Juli 1998 unter anderem mit der Begründung ab, dass das Gericht nicht für die Prüfung des Ausschussbeschlusses zuständig sei.

Mehrere Fachgerichte geben Gysi anschließend recht und untersagen Behauptungen über eine Stasi-Mitarbeit. Das Landgericht Hamburg verbietet dem Spiegel beispielsweise, weiterhin den angeblichen Decknamen Gysis zu nennen.

Gysi und Lafontaine, 1997

Quelle: AP

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Gysi bemühte sich darum, die PDS zu einer "westtauglichen und koalitionsfähigen" Reformpartei zu machen. Der strikte Abgrenzungskurs mancher SPD-Politiker gegenüber der PDS beginnt zu wanken, als die Partei nach der Wahl im Jahr 1995 mit rund 14 Prozent drittstärkste politische Kraft im Berliner Senat wird. Es kommt zu einem ersten Treffen zwischen Gysi und dem damaligen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine.

Bei der Bundestagswahl im Jahr 1998 überspringt die PDS mit ihrem Berliner Spitzenkandidaten - wenn auch knapp - die Fünfprozenthürde und erhält erstmals Fraktionsstatus. Der Politiker gewinnt erneut das Direktmandat in seinem Wahlkreis Hellersdorf-Marzahn. Die PDS-Fraktion wählt Gysi zum Vorsitzenden.

BUNDESTAG GYSI

Quelle: DPA

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Im Frühjahr 1999 verurteilt die PDS die Nato-Luftangriffe unter Beteiligung der Bundeswehr auf Jugoslawien scharf. Kurz darauf reist Gysi nach Belgrad und überreicht dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević persönlich einen Fünf-Punkte-Friedensplan. Dafür bekommt er heftige Kritik aus allen Bundestagsfraktionen.

Auch die Beteiligung von Bundeswehrsoldaten an den Kfor-Friedenstruppen missbilligt die PDS-Fraktion. Im Frühjahr 2000 tritt Gysi dann unerwartet als Fraktionschef zurück, nachdem auf einem PDS-Parteitag in Münster mehrheitlich gegen die Prüfung von UN-Mandaten gestimmt wird - und damit gegen Gysis innerparteilichen Modernisierungskurs.

Gregor Gysi uebernimmt Buero des Wirtschaftssenators

Quelle: DDP

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Im Jahr 2001 erklärte sich Gysi nach längerem Zögern und öffentlicher Dementi bereit, als Spitzenkandidat der PDS bei der vorgezogenen Neuwahl des Abgeordnetenhauses in Berlin anzutreten. Die SPD gewinnt die Wahl und koaliert mit der PDS.

2002 wird die Stadtregierung von Klaus Wowereit mit Gysi als Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen vereidigt. Nach nur sechs Monaten tritt Gysi dann wieder zurück. Er hatte einräumen müssen, in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter dienstlich gesammelte Lufthansa-Bonusmeilen privat in Anspruch genommen zu haben.

Wahlprogramm Linkspartei

Quelle: dpa/dpaweb

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Bald schon zieht es Gysi wieder in die Bundespolitik. Bei der Bundestagswahl 2005 verzeichnet das Wahlbündnis Die Linkspartei.PDS mit 8,7 Prozent der Stimmen und 54 Mandaten ihren bis dahin größten politischen Erfolg. Gysi und der zur WASG gewechselte ehemalige SPD-Vorsitzende Lafontaine übernehmen den Doppelvorsitz der neuen Parlamentsfraktion.

Im Dezember 2005 einigen sich die Führungsspitzen von Linkspartei und WASG im Grundsatz auf eine Fusion bis Sommer 2007. Gleichzeitig tritt Lafontaine in die Linkspartei und Gysi in die WASG ein. Mitte Juni 2007 werden Lothar Bisky und Oskar Lafontaine auf einem Vereinigungsparteitag zu den beiden Kovorsitzenden der neuen Partei "Die Linke" gewählt.

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Quelle: Hans-Christian Plambeck/laif

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Zuletzt sieht sich der Politiker im Jahr 2008 mit neuerlichen Stasi-Vorwürfen konfrontiert. Abgeordnete von Union und SPD sowie die Leiterin der Stasi-Unterlagen-Behörde, Marianne Birthler, verweisen dabei auf neue Aktenfunde zu Gesprächen Gysis mit dem Regimekritiker Robert Havemann aus dem Jahr 1979.

Gysi erklärt erneut, "zu keinem Zeitpunkt wissentlich und willentlich mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet" zu haben. Gegen einen entsprechenden ZDF-Beitrag über Birthlers Äußerungen klagt Gysi per einstweiliger Verfügung auf Unterlassung. Er bekommt 2009 vor dem Oberlandesgericht Hamburg recht.

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Quelle: AFP

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2013 und 2014 sind erfolgreiche Jahre für Gysi - bei der Bundestagswahl 2013 wird die Linke drittstärkste Kraft und Gysi damit Oppositionsführer. 2014 gewinnt sein Parteifreund Bodo Ramelow (rechts) die Landtagswahl in Thüringen - und wird so der erste Ministerpräsident der Linken im wiedervereinigten Deutschland.

500 Sendung 3 nach 9 Bremer TV Talkshow

Quelle: www.breuel-bild.de

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Immer wieder muss Gysi seine politische Arbeit wegen Krankheiten unterbrechen. Er erleidet drei Herzinfarkte, 2004 unterzieht er sich einer schweren Gehirnoperation. In die Politik kehrt er immer wieder zurück.

Nun will er kürzer treten, seine Memoiren schreiben und mehr Zeit mit der Familie verbringen. Dass er nochmal auf die große politische Bühne tritt, ist aber nicht ausgeschlossen - das kann es bei diesem Mann gar nicht sein.

© süddeutsche.de/kai/bepe/joku/fued
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