Greenpeace:Ärger unter dem Regenbogen

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In der Kritik: Kumi Naidoo von Greenpeace. (Foto: AFP)

Erst eine millionenschwere Fehlspekulation, dann ein Manager, der mit dem Flugzeug zur Arbeit kommt: Das Image von Greenpeace hat Schaden genommen. Innerhalb der Umweltorganisation brodelt es.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Wie man ein gutes Image zur Waffe macht, das wissen die Leute bei Greenpeace aus dem Effeff. Derzeit lassen sie traurige Lego-Männchen in einer Öllache des Shell-Konzerns ertrinken, millionenfach wurde das Video weltweit schon angeschaut. Denn Lego und Shell sind seit Jahren Partner, ganz einfach kommt so das Shell-Logo in die Kinderzimmer. Doch Shell will in der Arktis nach Öl bohren, und das findet die Umweltorganisation gar nicht gut. Seither hat Lego ein Problem und die Arktis viel Öffentlichkeit. Greenpeace selbst natürlich auch.

Jetzt aber bekommt es die größte Umweltorganisation der Welt zum ersten Mal mit sich selbst zu tun, denn bei Greenpeace brodelt es. Erst flog eine millionenschwere Fehlspekulation auf, mit der ein Mitarbeiter der Zentrale in Amsterdam angeblich Währungsschwankungen abpuffern wollte. Der Mann hatte einen schwachen Euro gegen steigende Kurse von chinesischem Yuan, Schweizer Franken oder indischer Rupie absichern wollen, doch der Euro wurde stärker. Am Ende standen 3,8 Millionen Euro Verlust, und nicht nur das. "Der Verlust ist Teil eines - teilweise geplanten - Gesamtdefizits von 6,8 Millionen Euro in 2013", heißt es in internen Unterlagen von Greenpeace. Bei 288 Millionen Einnahmen insgesamt ein echter Schlag ins Kontor.

Der Mitarbeiter musste gehen, Greenpeace entschuldigte sich vielfach und versprach bessere Kontrollen. Allein in Deutschland wandten sich mehr als 2000 Förderer deshalb von Greenpeace ab.

Noch gefährlicher ist aber die jüngste Affäre um die Nummer zwei bei Greenpeace, den Programmdirektor Pascal Husting. Husting, dessen Familie in Luxemburg lebt, pendelte ein gutes Jahr lang zur Zentrale nach Amsterdam - mit dem Flugzeug. Das passt nicht nur schlecht zu Anti-Erdöl-Kampagnen wie gegen Shell, es bringt auch die eigenen Leute gegen die Führungsspitze auf. "Der Flugskandal unterminiert die Glaubwürdigkeit unserer Organisation", schrieben unlängst Mitarbeiter des niederländischen Greenpeace-Ablegers an Husting und Greenpeace-Chef Kumi Naidoo. "Wann immer wir Politiker oder Unternehmen kritisieren, wird diese Geschichte auf uns zurückfallen." Husting müsse zurücktreten, auch Naidoo habe enttäuscht. Greenpeace steckt in der größten Krise seit Langem.

Interne Querelen um die künftige Struktur bei Greenpeace

Doch die Regenbogenkrieger reagieren nicht anders als Firmen in vergleichbaren Imagekrisen. Die Fehlspekulation begleitete Greenpeace noch mit einer Offensive an Entschuldigungen und Untröstlichkeit, verbunden mit schnellen Änderungen an den internen Abläufen.

Die Flugaffäre aber will die Greenpeace-Spitze am liebsten schnell abhaken. Naidoo selbst spricht nur von dem "travel issue", der "Reisesache". Einen Rücktritt von Husting lehnt er ab. Der wiederum entschuldigte sich öffentlich und will künftig die 350 Kilometer mit der Bahn fahren. Was durch die Flüge zusätzlich an Kohlendioxid emittiert worden sei, werde von Greenpeace kompensiert, sagt ein Sprecher in Amsterdam. That's it.

Ob es so leicht getan sein wird? Hinter dem Streit über die Flugreisen und den Millionenverlust steht eine handfeste Auseinandersetzung um die künftige Struktur und Arbeitsweise bei Greenpeace. Der charismatische Südafrikaner Naidoo, der 2009 an die Greenpeace-Spitze kam, will die Organisation mit ihren weltweit 2000 Mitarbeitern fundamental umbauen. War bisher Amsterdam Zentrale und Herz der Organisation, sollen künftig Aufgaben stärker auf verschiedene Länderbüros verteilt werden. Greenpeace, so schrieb Naidoo kürzlich an seine Leute, "müsse so global werden wie die Probleme, denen wir begegnen wollen".

So sicherte sich das deutsche Büro unlängst per interner Ausschreibung die internationale Klimapolitik, das Büro in Kopenhagen den Schutz der Arktis. Aber auch in Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien will Greenpeace so stärker werden. Der Kopf hinter der neuen Organisation ist, Zufall oder nicht, Husting. Sein Einfluss auf die Geschicke von Greenpeace, ebenso der Naidoos, würden sogar noch gestärkt, trotz Dezentralisierung.

In Deutschland hat der Krisenstab schon die Arbeit aufgenommen

In Amsterdam dagegen tüftelt die Organisation nun an einem Sozialplan. Mit einem Jobabbau habe das nichts zu tun, heißt es dort. Gekündigte Mitarbeiter könnten sich auf neue Posten im Ausland bewerben. Die Methoden beim Umbau ähneln durchaus denen jener Unternehmen, die Greenpeace sonst gern angreift. Das verursacht neuen Unmut. Für Greenpeace mit seinen weltweit drei Millionen Förderern, 600 000 von ihnen in Deutschland, kann der Umbau fatale Folgen haben.

In Deutschland hat längst der interne Krisenstab die Arbeit aufgenommen, die "Schildwache". Normalerweise tritt sie zusammen, wenn Greenpeace schnell reagieren muss, etwa nach dem Atomunglück in Fukushima. Nun aber soll die "Schildwache" die eigene Krise abwehren, dafür sorgen, dass der Ableger in Hamburg nichts von den Turbulenzen in Amsterdam abbekommt. "Das kostet Kraft und beschäftigt uns", sagt eine Mitarbeiterin aus dem Krisenstab. "Aber wir arbeiten trotzdem weiter."

Eine Menschenkette gegen die Braunkohle ist geplant, quer durch die Lausitz; eine neue Studie ist gerade fertig zu den Gesundheitsrisiken der Kohle. Im Übrigen werde man um jeden verlorenen Unterstützer kämpfen. Und auch die Zentrale in Amsterdam hat sich am Dienstag gemeldet: mit einem neuen Lego-Filmchen.

© SZ vom 06.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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