Grabstätte:Am Ende des Weges

Domherrenfriedhof des Bistums Speyer

Für Kohl hat die katholische Kirche eine Ausnahme gemacht: Hinter diesen Gräbern an der Grenze zum Adenauer-Park soll die Grabstätte des ehemaligen Bundeskanzlers errichtet werden.

(Foto: Elisabeth Schomaker/KNA)

Der Streit um die Trauerfeierlichkeiten für Helmut Kohl wird laut und erbittert geführt. Der Ort, wo der ehemalige Bundeskanzler seine letzte Ruhe finden soll, ist ganz still. Ein Besuch in Speyer.

Von Susanne Höll, Speyer

Der Konrad-Adenauer-Park in Speyer ist, man kann es nicht anders sagen, eine Oase. Wer Abgeschiedenheit sucht, mitten in der Stadt, und Schatten in diesen heißen Tagen, geht ein paar Schritte vom Bahnhof, nimmt ein halbes Dutzend Stufen und findet sich wieder an einem nahezu verwunschen Ort. Hier, auf dem Alten Friedhof der Stadt, soll Helmut Kohl am 1. Juli seine letzte Ruhe finden. Schön wäre es, schließlich hat sein Tod zu etlichen befremdlichen familiären und politischen Verwerfungen geführt.

Es gibt hier Eichhörnchen und Tauben. Ein paar Meter entfernt rutschen die Kinder

Der Grabplatz ist schon sichtbar. Gleich hinter der Kirche Sankt Bernhard, einem architektonisch mediterran anmutendem deutsch-französischem Freundschaftsbau der frühen 1950er-Jahre, wurde ein Stück Land markiert, 30 Quadratmeter dürften es sein. Das Gras ist schon abgehoben. Ein zutrauliches Eichhörnchen sucht in der trockenen Erde nach Futter, in den Zweigen einer mächtigen Tanne gurren zwei Tauben. Der Platz gehört gerade noch zum Friedhofsareal des Domkapitels, dort werden seit dem 19. Jahrhundert die Kapitulare des Speyrer Doms beigesetzt. Nur eine verwitterte Steinmauer trennt ihm vom Konrad-Adenauer-Park, der in früheren Jahrhunderten selbst einmal ein Friedhof war. Der wurde Ende des 19. Jahrhunderts geschlossen. Einige Grüfte und Grabsteine sind noch erhalten, etwa der von Amalie Feuerbach, der Mutter des Malers Anselm Feuerbach, die am 1. März 1830 in Speyer an Tuberkulose gestorben ist.

Im Park wird heutzutage niemand mehr beerdigt. Und im Domkapitel-Friedhof begräbt man nur Geistliche. Für Kohl machte die katholische Kirche eine Ausnahme. Ja, es sei der ausdrückliche Wunsch des Altkanzlers gewesen, hier beigesetzt zu werden, sagt eine freundliche Dame der Bistums-Pressestelle. Schließlich sei er Speyer sehr verbunden gewesen.

Stimmt. Kohl war der Stadt mit dem imposanten Dom innigst verbunden. Als Kanzler, nach der deutschen Wiedervereinigung, schleppte er die Mächtigen der halben Welt hier an die beschauliche Stadt am Rhein. Der letzte sowjetische Präsident Michail Gorbatschow war hier, auch dessen Nachfolger Bors Jelzin, der dann allerdings nur noch über Russland herrschte, der frühere US-Präsident George Bush senior, auch Margaret Thatcher, die Kohl nicht allzu sehr schätzte und die deutsche Vereinigung schon gar nicht, kam nach Speyer, und der kluge, amüsante, erste Präsident der Tschechischen Republik, Václav Havel, auch. Das waren allesamt schöne Tage für Kohl und für Speyer, das für einige Momente zur Bühne der Weltpolitik wurde.

Und einen der bittersten Tage seines Lebens verband der Altkanzler auch mit diesem Dom. Im Juli 2007 fand dort das Requiem für Hannelore Kohl statt, die sich, gequält auch von einer jahrelangen Lichtallergie, kurz nach dem 41. Jahrestag ihrer Hochzeit mit Helmut das Leben genommen hatte. Versteinert stand Kohl damals neben dem Sarg seiner allseits sehr beliebten Frau, die nicht wenigen Politikern der damaligen Zeit als die wortwörtlich bessere Hälfte des früheren Regierungschefs galt. Die Mutter der beiden gemeinsamen Söhne Walter und Peter wurde nach der Totenmesse im Familiengrab der Kohls beigesetzt, in Ludwigshafen-Friesenheim. Dort liegen auch die Eltern Kohls, Hans und Cäcilie, seine mütterlichen Großeltern auch. Für Hannelore wurde ein zweiter, weißer Stein auf dem Grab errichtet. Es ist noch viel Platz unter ihrem Namen. Der von Helmut Kohl wird sich dort nicht finden. Zusammen mit seiner zweiten Frau Maike entschloss er sich für eine letzte Ruhe in Speyer. Mit seinen Söhnen fand er nach dem Freitod von Hannelore bis zu seinem eigenen Ableben keinen väterlichen Frieden.

Ein wenig einsam wird er künftig sein, der Altkanzler. Die Domkapitulare sind immerhin ein paar Steinwürfe entfernt. Die Gräber des Alten Friedhofs, auf dem im 17. Jahrhundert erst die Armen der Stadt und erst dann die Honoratioren, wie etwa der Buchdruckermeister Georg Kranzkühler oder die seinerzeit offenkundig ziemlich wohlhabenden Familie Kümmrich, liegen weiter weg. Aber da sind dann noch die Flaneure und Jogger, die ihre Runden drehen im Park. Und natürlich die Kinder, die auf dem kleinen Spielplatz toben. Wenn sie über die Holzrutsche gleiten, werden sie direkt auf das Grab des ehemaligen Bundeskanzlers schauen.

Kohls Ruhestätte ist ein Solitär in Speyer. Die Fläche, so viel kann man sagen, reicht für ein Familiengrab. Ob und wer dort noch in künftigen Zeiten beigesetzt werden darf, vielleicht auch Maike Kohl-Richter, ist allerdings unklar. Das Bistum Speyer teilt auf Anfrage mit, dass die Kirche darüber nicht entscheiden wird. Man habe für Helmut Kohl die Grabfläche zur Verfügung gestellt, sagt Bistumssprecher Markus Herr. "Weitergehende Entscheidungen in der Zukunft liegen in den Händen der Stadt Speyer", fügt er hinzu.

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