Glosse:Das Streiflicht

(SZ) Im idealen Staat, so wie er Platon vorschwebte, herrschen die Philosophen, also Leute wie beispielsweise Diogenes von Sinope, der in einem Fass schlief, gerne in der Sonne lag und mit Stolz den Beinamen "Der Hund" trug. Ob es wirklich erstrebenswert wäre, in einem Land zu leben, dessen Regierungschef als "Hund" firmiert, ist unter Fachleuten umstritten. Bayerische Experten sagen uneingeschränkt Ja, weil das Werturteil "A Hund is a scho" die höchstmögliche Anerkennung, ja grenzenlose Bewunderung zum Ausdruck bringt. Einem Politiker, der in Bayern als "Hund", womöglich gar als "varreckta Hund" gefeiert wird, traut man alles zu, insbesondere die für einen bayerischen Staatsmann unabdingbare Bereitschaft, ruhig auch mal dem eigenen Wohl zu dienen, ehe man sich um die öffentlichen Angelegenheiten kümmert. Es versteht sich von selbst, dass der eher genügsame Diogenes, seinem vorteilhaften Spitznamen zum Trotz, in Bayern garantiert auf den Oppositionsbänken gelandet wäre - aber dies nur am Rande. Zivilisierte Völker und solche, die Katzen lieber haben als Hunde, bevorzugen Herrscher mit gefälligeren Beinamen. Friedrich der Weise würde noch heute in Sachsen gut angeschrieben sein, außer bei Pegida, und ein Regent mit dem Beinamen "der Faule", wie ihn der brandenburgische Markgraf Otto trug, verhieße ein gemütliches Leben in einem unaufgeregt geführten Staat.

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