Glosse:Das Streiflicht

(SZ) Wenn es am Schrecken irgendetwas Gutes gibt, dann dies, dass Pedanterie und kleinkrämerische Empfindlichkeiten fürs Erste ausgespielt haben. Wäre dem nicht so, kämen auf die Presse jetzt allerlei Beschwerden zu, des Inhalts, dass dieser oder jener wirklich entsetzt gewesen sei, sich also keineswegs, wie allerorten zu lesen, nur "entsetzt gezeigt" habe. Auf diese journalistische Floskel ist Verlass. Da kann ein Präsident, ein Bundesminister, ein Funktionär, ein Kardinal oder ein Landesbischof noch so glaubhaft respektive - schauriges Modewort - authentisch entsetzt sein, es hilft ihm nichts: Sein Entsetzen wird, als wäre es etwas Unziemliches, bei der Wiedergabe in euphemistische Watte gepackt, und wenn sich daran nichts ändert, wird es wahrscheinlich auch beim Weltuntergang einmal heißen, das Kanzleramt, der Heilige Stuhl oder die Freiwillige Feuerwehr hätten sich "entsetzt gezeigt".

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