Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Wenn früher ein einzelner Mensch auf der Straße herumschrie, war Vorsicht geboten und gegebenenfalls das rasche Einschreiten der Sicherheitskräfte. Mitunter waren solche Menschen nämlich umgetrieben von wilder, wahnwitziger Wut; in jedem, der ihnen über den Weg lief, sahen sie einen getarnten Agenten des Systems und den Schuldigen für diese bösen Stimmen im Kopf. Heute trifft man solche Leute nur noch selten in der Öffentlichkeit, obwohl ihre Wut gewiss nicht gewichen ist. Sie nennen sich jedoch jetzt Blogger und führen digitale Watchlisten, um herauszufinden, wer die getarnten Agenten des Systems sind und die Schuldigen für die bösen Stimmen im Kopf. Jene aber, die aber auf der Straße oder im Bus seltsam zu brabbeln scheinen, sprechen nur in die Mikros ihrer Smartphones. Das ist nun ganz normal, ebenso normal wie mit Freunden im Biergarten zu sitzen, ohne viele Worte zu verlieren, weil dieses Smartphone gebieterisch alle Aufmerksamkeit verlangt.

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