Glosse:Das Streiflicht

(SZ) Im ordentlichen Krimi, mitunter sogar im richtigen Leben, hat der Mörder auch ein ordentliches Motiv, ansonsten gäbe es ja gar nichts mehr, worauf man sich verlassen könnte. Eifersucht etwa ist als tödliche Triebfeder gut eingeführt, weshalb erfahrene Kommissare erst einmal das Liebesleben ihrer Verdächtigen nach irgendwelchen Unregelmäßigkeiten abklopfen. Als Faustregel gilt: In jeder Dreiecksbeziehung lauert der Tod. Auch Habgier ist ein überzeugendes Mordmotiv, macht die Ermittlungsarbeit aber schwierig, weil im Kapitalismus ja fast alle habgierig sind. Der Kreis der Verdächtigen ist deshalb oft so groß, dass die Mordkommission den Fall gleich zu den Akten legt oder beschließt, doch lieber in Richtung Eifersucht zu ermitteln. In manchen Krimis kommt auch die gute alte Rache zu Ehren, und wenn die Story besonders raffiniert gestrickt ist, reicht die Vorgeschichte weit zurück, beispielsweise bis in den Dreißigjährigen Krieg. In dieser unseligen Zeit, so liest man mit Schaudern, war einem märkischen Gutsherren ein Perlhuhn gestohlen worden, eine ruchlose Tat, welche die Nachfahren rund 400 Jahre später mit einer vergifteten Geflügelbouillon zu rächen wussten.

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