Glosse:Das Streiflicht

(SZ) Nächtlicher Spuk ist selten von so zugewandter Art wie in Kurt Gerrons Lied von 1929: "Ich bin das Nachtgespenst, / Dein süßes Nachtgespenst: / Ich weck dich, wenn du pennst, / So lang, bis du mich Liebling nennst." In den Geschichten vieler Kulturen gehen im Dunklen grausliche Gestalten um wie der Nachtmahr. Klein, pelzig und glühenden Auges hockt er sich zur frühmorgendlichen REM-Phase auf die Schlummernden, die dann im Traum von den schlimmsten Gesichten gepeinigt werden. Im Schwäbischen drohten Eltern ihren Kindern: Wenn sie nicht Ordnung halten, werde nächtens der zottelige Schombeler aus des Sees grüner Tiefe kommen und sie holen. Der Schombeler lebt als moderner Schrecken fort in Winfried Hermann aus dem grünen Verkehrsministerium zu Stuttgart, der den Menschen das Scheufele und das Fahrzeug, ihr Audole, wegzunehmen trachtet. Zum Glück ist das ja alles nur ein böser Traum.

Was aber, wenn jemand aus unruhigem Schlaf erwacht, in dem ihm war, als stehe Sascha Hehn da, ewig jung, braun gebrannt und wie stets unerträglich guter Laune, und setze soeben zu einem seiner typischen Traumschiffsätze an, vielleicht: "Als Chefsteward konnte ich noch Badehosen-Modelle tragen, die heute in internationalen Gewässern diplomatische Krisen auslösen würden." Das hat er mal zu Bild gesagt. Doch als der Erwachende aufblickt von der Sonnenliege, steht da Sascha Hehn in weißer Kapitänsuniform, er ist noch provozierender braun gebrannt als sonst und unerträglich guter Laune; gerade spricht er zu einem Reporter: "Als Chefsteward konnte ich noch Badehosen-Modelle . . .".

Dieser Tage gibt es Schlagzeilen wie: "ZDF-Traumschiff: Entschädigung für Kreuzfahrt mit Sascha Hehn". Ein Berliner Rentnerpaar erhielt 1022,76 Euro Reisekosten einer Kreuzfahrt zurück: Seine Erholung auf der MS Amadea habe durch die "Traumschiff"-Dreharbeiten an Bord arg gelitten. Es wird den juristischen Kommentaren vorbehalten bleiben, ob sich die Präsenz von Sascha Hehn dabei strafverschärfend ausgewirkt hat; die Fachwelt geht aber davon aus. Das Urteil würde dann neue Dimensionen der Schadenersatz-Praxis eröffnen: Welche Summe könnte erst ein Mann verlangen, der etwa zu Selbstfindungszwecken im Kloster Banz verweilt, und da stünde Alexander Dobrindt im Hof und forderte den Plan B in der Flüchtlingsfrage. Aller Friede, den die Seele fand, wäre doch für die Katz. Oder ein Kuraufenthalt, bei dem Jusochefin Johanna Uekermann im selben Hotel eine Tagung zur Lage des staatsmonopolistischen Kapitalismus abhielte und somit jeden Genesungsfortschritt zunichte machte. Das würde teuer. Aber vielleicht könnte auch Sascha Hehn Klage einreichen. Die Frage ist ja noch ungeklärt, ob ein Schiff, das notorisch übellaunige Berliner Rentnerpaare an Bord hat, noch ein Traumschiff sein kann.

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