Glosse:Das Streiflicht

(SZ) Soeben hat die GfK Marktforschung Nürnberg ihre Erhebung veröffentlicht, derzufolge es sich 84,5 Prozent der Frauen und Männer "in der kalten Jahreszeit gerne auf ihrem Sofa gemütlich machen". Ebenso interessant wäre natürlich, was die fehlenden 15,5 Prozent umtreibt. Vielleicht lieben sie den alles durchdringenden Eisregen des Spätherbstes. Vielleicht hassen sie die Gemütlichkeit, oder zumindest ihr Sofa, wegen der Bandscheibe. Jedenfalls, früher gehörte das alles zusammen: ein Sofa, eine Familie, ein Röhrenfernseher. Eltern und angekuschelte Kinder sahen zufrieden zu, wie der schielende Löwe Clarence in "Daktari" die niedliche Tierarzttochter Paula vor ruppigen Rhinos rettet. Doch die heile Familie ist verschwunden, so wie der Röhrenfernseher, wobei die Forschung in seinem Fall wenigstens einig ist, dass es ihn wirklich gegeben hat. Wie die ganze Gesellschaft sind auch die Sofas viel empfindlicher geworden. Kinder mit ihren Schokofingern und Slimebällen haben auf dem Polster nichts mehr verloren. Davon abgesehen, ist das Sofa Ort eines stillen Ringens im Kampf der Geschlechter. Wenn in der Genderdebatte neuerdings vom Female Shift die Rede ist, findet diese Verlagerung des Weiblichen ja nicht nur aufwärts in die Führungsetagen statt, sondern auch in der Waagrechten daheim: Der Mann fürchtet, dass sich die Frau jetzt auch noch auf das Sofa verlagern will, auf dem er Trost und Erholung vom Existenzkampf im Büro und der Verkennung durch die Gefährtin sucht. Und er fürchtet sich zu Recht.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: