Glosse:Das Streiflicht

(SZ) Die Chapman University im kalifornischen Orange hat mehr als tausend Amerikaner gefragt, wovor sie am meisten Angst haben. Es ist erstaunlich und spannend, was die Amerikaner geantwortet haben, mehr dazu später. Würde man die Deutschen dasselbe fragen, bekäme man - je nach gesellschaftlicher Verankerung - zur Antwort: vor zu vielen Flüchtlingen oder zu vielen Rechtsextremisten. Danach käme aber sofort die Angst vorm Ich-Verlust ins Spiel: Angst vor Krebs, vor Herzinfarkt, vor Verkehrsinseln, kurz gesagt: Angst vorm Tod. Menschen, die lange über vieles nachdenken, meinen ja, die Angst vorm Tod sei völlig überflüssig, weil man ohnehin stirbt und deshalb völlig gelassen sein könne. Man muss allerdings viel Pascal oder wenigstens Margot Käßmann gelesen haben, um dermaßen locker mit dem eigenen Elend umzugehen. Die Amerikaner gaben an, sie fürchteten sich eigentlich auch weniger vorm Tod als vor einem korrupten Staatsapparat. Wer einen korrupten Staatsapparat fürchtet, kann vorm Tod natürlich keine Angst haben, denn der Tod ist bekanntermaßen nicht bestechlich. Krankheiten und Verletzungen finden die Amerikaner auch nicht so schlimm, dafür gibt es ja Kliniken. Große Angst hegen die Amerikaner vor Obamacare, weil sie glauben, dass eine Krankenversicherung etwas ähnliches wie eine Geiselnahme ist.

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