Glosse:Das Streiflicht

(SZ) Die Opfer bieten einen wahrhaft erbarmungswürdigen Anblick - einen Anblick, der einem das Blut gefrieren lässt, und zwar keineswegs zu Speiseeis. In sich zusammengesunken liegen sie da, in ihrer eigenen Lache und in einer Pose, die einen langen, qualvollen Todeskampf verrät; von tiefen Messerstichen sind sie grausam entstellt. Gibt es etwas Traurigeres als ein Planschbecken, dem die Luft ausgegangen ist, das aufgeschlitzt wurde, plattgemacht von einem Serienkiller, dessen Tat uns die Fassung raubt? Dabei hatte alles danach ausgesehen, als sei der Messerstecher zur Einsicht gekommen, habe abgelassen von Münnerstadt. Der Albtraum schien vorbei zu sein, Frieden war eingekehrt ins idyllische Städtchen im Landkreis Bad Kissingen, aber eine trügerische Ruhe wiegte den Ort in falscher Sicherheit.

Lange Zeit stellte die Schneise der Verwüstung, die der Ripper in Unterfranken hinterlassen hat, die ermittelnden Behörden vor ein Rätsel. Dutzende von Planschbecken waren seit 2009 auf sein Konto gegangen. Dann war auf einmal Schluss. Nicht ein Vorfall im Sommer 2014. Kein angstvolles Zischen entweichender Luft drang nachts aus den Gärten. Doch jetzt hat er wieder zugeschlagen und versetzt die Region erneut in Angst und Schrecken. Drei Opfer innerhalb von nur einer einzigen Woche, lautet die traurige Bilanz. Die Polizei geht davon aus, dass es sich bei dem Pool-Killer um einen Einzeltäter handelt, da der Fall bundesweit einzigartig sei. Und tappt weiterhin im Dunkeln. Es fehle jede Spur, heißt es, und so gründlich die Beamten das Gebiet auch durchkämmen, das unübersichtliche Gelände bringt die übermüdeten Fahnder an ihre Grenzen.

Vollends unklar ist das Motiv des nach Zeugenaussagen männlichen Täters, der mit der Geschmeidigkeit einer Raubkatze und der Kaltblütigkeit eines in Terrorcamps trainierten Profis Gartenzäune und selbst Mauern überwindet, um sein grausames Werk zu verrichten. Was treibt den Schlitzer von Münnerstadt? Eine Gummi-Allergie? Sozialneid? Sonnenstich? Leidtragende sind die Kleinsten unserer Gesellschaft, Kinder und Bierflaschen - beides wird gerne im Planschbecken abgekühlt. Man muss die Übergriffe als Anschlag auf den deutschen Sommer verurteilen. Wir Deutsche lieben ja alles, was man aufblasen kann: Fußbälle, Schlauchboote, Luftmatratzen oder uns selbst. Und Sommer ist für uns, wenn wir die Adiletten anlegen und mit dem Tretbalg Luft in Behältnisse pumpen, in denen wir aufbewahren, was uns wichtig ist: das Bier, bis es aus ist, und die Kinder, bis im Herbst wieder der Hort aufmacht. Kein Wunder also, dass die Volksseele kocht. Die Polizei warnt angesichts der aufgeheizten Stimmung vor Selbstjustiz. Vorsicht, der Gesuchte könnte extrem wasserscheu sein! Wasserpistolen sollten daher nur zur Selbstverteidigung eingesetzt werden.

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