Gleichberechtigung:UN-glaubwürdig

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Chinas Staatspräsident feiert bei einer UN-Konferenz Frauenrechte - das könnte in die Hose gehen: Denn im eigenen Land sperrt China Frauenrechtlerinnen lieber ein.

Von Kai Strittmatter

China wird von alten Männern regiert. Das ist heute nicht anders als früher. Dass die Machtübernahme der Kommunistischen Partei 1949 Chinas Frauen neue Freiheiten brachte, ist unbestritten: Zwangs- und Kindesheiraten wurden verboten, das Füßebinden wurde abgeschafft. Frauen durften, nein: mussten mitarbeiten am Aufbau des sozialistischen Staates. Heute sind Chinas Frauen besser ausgebildet und wohlhabender, als sie es jemals waren. Und doch hätte dem Staatspräsidenten Xi Jinping mal einer seiner Berater zuflüstern können, dass das PR-mäßig in die Hose gehen muss, wenn ausgerechnet er ausgerechnet jetzt den Vorsitz übernimmt bei einer UN-Konferenz, welche die Sache der Frauenrechte feiern und vorantreiben soll.

Es war so schön geplant: Ein Soft-Power-Coup der Chinesen hätte es werden sollen, das von UN Women und China gemeinsam am Sonntag veranstaltete "Beijing +20"-Treffen. Das Treffen sollte an die große UN-Frauenkonferenz vor 20 Jahren in Peking erinnern. Dass die Veranstaltung Chinas Regierung stattdessen zur Zielscheibe macht, dass sich Parteichef Xi von Amnesty International einen "Heuchler" nennen lassen muss, liegt daran: Chinas KP hat in diesem Jahr eine ganze Reihe von Frauenrechtlerinnen ins Gefängnis werfen lassen.

Die Partei agiert unter Xi schon seit zwei Jahren repressiver, die Festnahmen der Frauen überraschten Beobachter aber dennoch. Vor allem der Fall der fünf jungen Feministinnen, die pünktlich zum Internationalen Frauentag im März im Gefängnis landeten: Sie hatten gegen sexuelle Belästigung demonstrieren wollen. Aktivitäten dieser Art, die sich weder gegen Partei noch Staat richten, hatten die Behörden in den letzten Jahren geduldet. Weltweit gab es im März Proteste, die fünf wurden nach einem Monat aus der Haft entlassen, warten aber bis heute auf eine mögliche Anklage. Elf weitere Frauenrechtlerinnen sitzen AI zufolge bis heute in Haft. Ihr größtes Vergehen offenbar: Sie haben sich ohne Erlaubnis der KP organisiert. In einem offenen Brief an die UN sprechen die fünf im März Festgenommenen nun von "einem unerwarteten und schmerzlichen Rückschritt" für die Sache der Frau in China.

Frauenrechtlerinnen erkennen Fortschritte an, den Gesetzesentwurf gegen häusliche Gewalt zum Beispiel, Chinas ersten. Dennoch ist die Stimmung gedämpft: Chinas Frauen mag es besser gehen als früher, aber im Vergleich zu den Männern sind sie in den letzten zwei Jahrzehnten weiter zurückgefallen. Die Einkommenskluft zwischen Frauen und Männern ist gewachsen, sie werden häufiger und unverschämter diskriminiert als früher. Das gilt für Einstellungsgespräche ebenso wie für die Aufnahmeprüfung zur Universität, wo mittlerweile nicht wenige Unis von Schülerinnen einen besseren Punkteschnitt verlangen als von Schülern, mit der Begründung die Mädchen seien einfach zu gut, die Jungen hätten sonst keine Chance. Auch kein kluger Schachzug, wenn man als Staatspräsident und Gastgeber bei einer Frauenkonferenz punkten will: als einzigen anderen Redner Chinas Jack Ma mitbringen, Chef des Internetkonzerns Alibaba. Noch ein Mann, wenn auch, zugegeben, ein bloß mittelalter.

© SZ vom 28.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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