Gipfeltreffen in Havanna:Kubas Comeback

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Im Kreise der Lateinamerikaner: Kubas Staatschef Raúl Castro (Mitte) zwischen Venezuelas First Lady Cilia Flores, ihrem Ehemann Nicolás Maduro, Uruguays Präsident José Mujica und Boliviens Staatschef Evo Morales (von links).

(Foto: AFP)

Raúl Castros kleiner Triumph: Beim lateinamerikanisch-karibischen Gipfel scharen sich die Staats- und Regierungschefs der Region um Kubas Präsidenten. Der Inselstaat ist seinen Außenseiter-Status längst los - und für Investoren zunehmend interessant.

Von Sebastian Schoepp

Der Zeitpunkt war wohl nie so günstig, und Raúl Castro hat die Gunst der Stunde genutzt. Am Montag saß Kubas Präsident einträchtig inmitten der Kollegen aus Brasilien, Bolivien, Venezuela und anderen wohlgesinnten Staatschefs auf der Ehrentribüne, um der Einweihung eines neuen Containerhafens in Mariel bei Havanna beizuwohnen.

Die Feier hatte die Regierung extra mit dem Beginn der Konferenz der Gemeinschaft der Staaten Lateinamerikas und der Karibik (CELAC) zusammengelegt, um zwei Dinge zu demonstrieren: erstens, dass Kubas Wirtschaftsreformen vorankommen. Und zweitens, dass das kommunistische Karibik-Land nach fast fünf Jahrzehnten Isolation wieder in den Kreis der internationalen Diplomatie zurückkehrt.

Dem Gipfeltreffen, das seit Dienstag in Havanna stattfindet, steht Raúl Castro vor - wie seit einiger Zeit üblich dürfte er sich dafür im besten Zwirn zeigen. Die Uniform, die ihm einst sein Bruder, Revolutionsführer Fidel Castro, verordnete, hat Raúl immer häufiger abgelegt, seit er die Staatsgeschäfte führt.

Günstig ist der Zeitpunkt deswegen, weil die überwiegende Mehrheit der Staaten Lateinamerikas links regiert wird, Fidel Castro genießt bei den meisten Staatschefs Respekt, weil er sich von den USA nicht in die Knie zwingen ließ. "Konservative Regierungen sind aus der Region praktisch verschwunden", stellte die Washington Post vor der Konferenz fest.

Schulterschluss mit dem Ex-Außenseiter

Das hat den Dialog zwischen Staaten erleichtert, die früher trotz aller kultureller Gemeinsamkeiten eher isoliert nebeneinanderher lebten. Nach der kubanischen Revolution 1959 etwa war es für Washington deshalb kein großes Problem, Kuba aus der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zu drängen und mit einem Embargo zu belegen, das einzig Mexiko in steter Regelmäßigkeit unterlief.

2009 wurde der Bann der OAS aufgehoben, doch Havanna verzichtete freiwillig auf die Rückkehr in eine Organisation, die Zeit ihres Bestehens als langer Hebel der USA wahrgenommen wurde. Es war Fidel Castros bester politischer Freund, Venezuelas Präsident Hugo Chávez, der 2010 eine Konkurrenz-Organisation aus der Taufe hob, die ein wirkmächtigeres Comeback Kubas möglich machte: eben die CELAC, der alle Staaten Amerikas angehören - außer den USA und Kanada.

33 Länder sind das, deren Staatschefs laut Tagesordnung in Havanna über Probleme wie Hunger, Drogen und bewaffnete Konflikte sprechen wollten. Doch eigentlich dient der Gipfel einem anderen Zweck: eben dem, den Schulterschluss mit Kuba zu demonstrieren. "Ohne Kuba ist unsere Region nicht komplett", sagt Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff. "Havanna ist zurück in Amerika", titelte die spanische Zeitung El País.

USA verlieren den Anschluss

Das Embargo gegen Kuba gilt inzwischen weltweit als Anachronismus. In der UN -Vollversammlung stimmen nur noch die USA und Israel dafür. Es ist kein Geheimnis, dass Präsident Barack Obama eine Öffnung anstrebt, doch verhindert dies bisher die hartleibige Lobby der Exil-Kubaner in Miami.

Das hat zur Folge, dass die Vereinigten Staaten bei dem wirtschaftlichen Run, der auf Kuba eingesetzt hat, den Anschluss zu verlieren drohen. Investoren reißen sich darum, den Fuß in die Tür zu kriegen, um beim großen Geschäft dabei zu sein, wenn Kuba seine Wirtschaft weiter nach dem chinesischen Modell liberalisiert.

Auch Europa zeigt Interesse an Kuba

Den Containerhafen Mariel etwa hat Brasilien mit Krediten finanziert, der brasilianische Odebrecht-Konzern hat ihn gebaut. Der Hafen liegt an einem durchaus symbolträchtigen Ort, 1980 schifften sich von Mariel aus mehr als hunderttausend Kubaner in die USA ein, um der Enge und Isolation Kubas zu entkommen. Der Hafen soll nun für die neue wirtschaftliche Offenheit stehen.

Auch die Europäer wollen da mitmischen. Die Niederlande etwa drängen die Europäische Union, die Politik des "Gemeinsamen Standpunkts" aufzugeben, der eine Öffnung hin zu Kuba an politische Forderungen knüpft - etwa eine bessere Behandlung von Dissidenten.

In dieser Angelegenheit tut sich immer noch wenig, vor der CELAC-Tagung klagten Oppositionelle erneut über Drangsalierung und Festnahmen. Kuba rechtfertigt die Repression stets damit, man müsse sich gegen Infiltration aus den USA wehren.

Erfolgsmodell mit Rissen

Die politische Rückholung Kubas in den Kreis der lateinamerikanischen Staaten ist - den ungelösten Menschenrechtsfragen zum Trotz - Ausdruck des gestiegenen Selbstbewusstseins, das die Staaten der Region seit anderthalb Dekaden an den Tag legen. Die linken Regierungen setzen auf Abstand zu den USA, auf Sozialausgaben und Umverteilung, was viele Menschen aus der Armut holte. Die steigenden Einnahmen aus dem Rohstoffverkauf bilden dafür die Basis.

Dieses Erfolgsmodell bekommt aber in jüngster Zeit Risse. Argentinien hat mit einer massiven Währungskrise zu kämpfen, die Angst vor den Gespenstern der Hyperinflation vergangener Tage weckt. Das Land ist auf den internationalen Finanzmärkten seit der Pleite 2001 ein Außenseiter, fast wie Kuba. Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner holte sich am Rande des Gipfels Trost bei Fidel Castro, mit dem sie sich zum Essen traf, wie die kubanische Parteizeitung Granma berichtete.

Es gibt Anzeichen, dass Lateinamerikas politisches Pendel allmählich zur Mitte zurückschwingt. Es ist ausgerechnet Kubas alter Verbündeter Mexiko, historischer Vorreiter der Verstaatlichungspolitik, das eine Kehrtwende eingeleitet hat. Präsident Enrique Peña Nieto hat den staatlichen Ölkonzern Pemex für privates Kapital geöffnet und erwartet sich Milliarden-Investitionen. Am Dienstag reiste er nach Havanna, um seinen Kollegen davon zu berichten.

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