Gipfel in Lissabon:Europa bangt um seinen Einfluss in Afrika

Die EU sucht beim Gipfel in Lissabon nach einer gemeinsamen Haltung - auch gegenüber dem Diktator Mugabe.

Martin Winter

Wenn das Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union (EU) und der Afrikanischen Union (AU) an diesem Samstagmorgen in Lissabon eröffnet wird, werden sich die Kameras wohl auf Robert Mugabe richten. Über die Einladung an den Gewaltherrscher aus Simbabwe hatte es unter den Europäern einen jahrelangen Streit gegeben, der die Afrikapolitik behindert hat.

Darum hat es sieben Jahre gedauert, bis dem ersten europäisch-afrikanischen Gipfel im Jahr 2000 in Kairo nun ein zweiter in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon folgt.

Der Weg wurde frei, als die Briten ihr Veto gegen ein Treffen zurückzogen. Aber Premierminister Gordon Brown erklärte, zu Hause zu bleiben, falls Mugabe komme. Stattdessen reist Baronin Valerie Ann Amos nach Lissabon. Die 1954 im damaligen British Guyana geborene frühere Sprecherin des House of Lords bekleidet derzeit kein offizielles politisches Amt in Großbritannien.

Mugabe ist bei den anderen europäischen Regierungen kaum beliebter als in London. Aber fast alle sind es leid, die Afrikapolitik der EU stets über den Fall Mugabe oder den eines anderen Herrschers stolpern zu lassen, der die Menschenrechte missachtet.

So werden mindestens 23 der 27 Staats- und Regierungschefs der EU am Verhandlungstisch erwartet, unter ihnen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident Nicolas Sarkozy. Merkel soll zum Thema Menschenrechte sprechen. Eine heikle Aufgabe, denn Nichtregierungsorganisationen fordern, dass sie Mugabe und auch dem sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir öffentlich ins Gewissen redet.

Geostrategische Herausforderung

Was die EU zum Dialog mit ihren Kollegen aus den 53 Mitgliedsländern der AU treibt, ist die Sorge, Einfluss in Afrika zu verlieren. Mit Unruhe sehen sie, wie Chinesen, Inder, Russen oder die USA auf der Suche nach Bodenschätzen in Afrika vordringen. China etwa deckt etwa ein Viertel seines Rohölbedarfs inzwischen vor allem aus sudanesischen Quellen. Im Gegenzug hält es seine schützende Hand über al-Bashir, der des Völkermordes in Darfur bezichtigt wird.

Bereits vor zwei Jahren hat die EU-Kommission die Mitgliedsländer auf die geostrategische Herausforderung durch "neue, auswärtige Spieler" hingewiesen. Sie empfahl, die europäische Afrikapolitik mit einem euro-afrikanischen Pakt auf neue Beine zu stellen. Es sei Zeit, sich von der zersplitterten Afrikapolitik zu verabschieden, mit der die EU-Länder in der Wirtschafts-, Entwicklungs- und in der Sicherheitspolitik so gegensätzliche Linien verfolgten, dass es zu regelrechten Kollisionen kam.

In Lissabon soll eine in den vergangenen Monaten mit der AU ausgehandelte "strategische Partnerschaft zwischen der EU und Afrika" unterzeichnet werden. In der geht es um eine "Partnerschaft unter Gleichen" und um "globale Herausforderungen" wie etwa den Klimawandel. Es liegt ein Aktionsplan vor, der von der Zusammenarbeit bei Frieden und Sicherheit über gute Regierungsführung und eine Energiepartnerschaft bis zum Aufbau der Informationsgesellschaft in Afrika reicht. Es ist ein Katalog mit 22 Unterpunkten, die kurzfristig in Angriff genommen werden sollen.

Kern des neuen europäischen Umgangs mit dem Nachbarkontinent ist die Idee einer einheitlichen Afrikapolitik. In der 2002 gegründeten AU glaubt die EU eine Partnerorganisation gefunden zu haben, mit der sie den langfristigen Rahmen für eine europäisch-afrikanische Politik abstecken kann. Brüssel hofft, dass sich die AU im Lauf der Zeit dem nähert, was die Europäische Union geworden ist, nämlich eine Gemeinschaft, die politisch gemeinsam handelt, in der Konflikte friedlich beigelegt werden und die internationale Verantwortung übernimmt, sei es nun beim Klimaschutz oder bei der Friedenssicherung.

Seit einigen Jahren finanziert die EU den Aufbau der AU-Institutionen in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba mit. In deren militärische Unterabteilung für Friedenssicherung wird sie bis 2010 mehr als 500 Millionen Euro investieren. Um zu zeigen, für wie bedeutend sie die AU für eine friedliche und wirtschaftlich erfolgreiche Entwicklung Afrikas hält, richtet die EU jetzt eine Ständige Vertretung ein.

Gemeinsamer Wille

Um ein Zeichen zu setzen, beriefen der EU-Ministerrat und die Kommission zwei Tage vor Lissabon den belgischen Diplomaten Koen Vervaeke zum Repräsentanten bei der AU. Die Entsendung eines Repräsentanten durch Rat und Kommission zeige "unseren gemeinsamen Willen, alle der EU zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen, um Afrika gegenüber auf allen Ebenen eine überzeugende Politik" zu betreiben, sagte der Hohe Repräsentant der europäischen Außenpolitik, Javier Solana.

Alle Instrumente? Am Vorabend vor dem Gipfel in Lissabon schickte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon einen dramatischen Appell in die Welt, der sich vor allem an die Europäer richtet. Wenn sich nicht bald 24 Transport- und Kampfhubschrauber finden ließen, dann stehe der Einsatz der verabredeten Friedensmission der UN und der AU in Darfur auf dem Spiel.

Doch in Europa, dessen Länder auf dem Balkan, in Afghanistan und zum Teil im Irak ihre Soldaten stehen haben, ist es gegenwärtig schwer, Hubschrauber für Afrika zu finden. Ohne sie kann die Friedensmission in Darfur aber kein Erfolg werden.

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