Gipfel in Italien:Taormina zeigt, wie bedroht die G-7-Gemeinschaft ist

Donald Trump gefährdet das G-7-Gebäude im Kern. Gar kein Gipfel käme allerdings einer Selbstaufgabe des Westens im klassischen Sinne gleich - und das wäre zu viel der Ehre für den US-Präsidenten.

Kommentar von Nico Fried, Taormina

Es ist das Treffen der Mächtigen, aber das Ergebnis ist häufig ein Bild der Machtlosigkeit. Auf den G-7-Gipfeln wie jetzt in Taormina wälzen die Staats- und Regierungschefs wichtiger Industriestaaten die Probleme und Konflikte der Welt - und müssen bekennen, was sie längst wissen: dass es für viele Lösungen immer öfter auch derer bedarf, die nicht mit am Tisch sitzen. China war nie dabei, Russland fehlt seit einigen Jahren. Dabei sind die Chinesen wirtschaftlich längst von größerer Bedeutung als mancher G-7-Staat, und das Russland Wladimir Putins hat sich politisch in praktisch jedem Konflikt Einfluss erworben - manchmal auch erkämpft -, der den Westen beschäftigt und belastet.

Die Begründung für G 7 ist deshalb längst nicht mehr eine Art Steuerung des Weltgeschehens, geschweige denn - wie in den Anfangsjahren - der globalen Wirtschaft. G 7 ist mittlerweile vor allem die Selbstvergewisserung einer Gruppe demokratischer und freiheitlicher Staaten, die Angela Merkel gerne eine Wertegemeinschaft nennt.

Dieser Rückzug auf seinesgleichen ist deutlich weniger, als der alljährliche Irrsinn an Aufwand, Kosten und Sicherheitsvorkehrungen im jeweiligen Gastgeberland erwarten lässt. Aber G 7 hat doch zumindest eine Berechtigung als Indikator dafür, welche Werte der Gemeinschaft überhaupt noch wichtig sind - und wie viel Wert sie noch auf sich selbst legt. Insofern war Taormina sogar ein besonders wertvoller Gipfel: Er hat gezeigt, wie bedroht die Gemeinschaft ist. Seit Donald Trump als amerikanischer Präsident regiert, bröckelt an G 7 nicht nur die Fassade. Das Gebäude ist im Kern gefährdet.

Die Vorstellung, wie sechs Staats-und Regierungschefs stundenlang auf den "Leader of the free world" einreden, um ihn vom Verbleib im Pariser Klimaabkommen zu überzeugen, hat etwas Groteskes. Aber sie steht auch symbolisch dafür, dass die G 7 derzeit erst in zweiter Linie nach Lösungen suchen und sich oftmals zuerst auf die Probleme und ihre Dimension verständigen müssen. Es geht bei manchen Themen nicht um Fortschritte, sondern darum, den Rückschritt im Vergleich zu früheren Beschlüssen so moderat wie möglich zu halten. Das ist beim Klimawandel nicht anders als bei den Handelsfragen: Die Ablehnung von Protektionismus ist nicht mehr selbstverständlich. Und eine deutsch-amerikanische Expertengruppe soll nun quasi in Grundlagenforschung erst einmal Einigkeit darüber erzielen, was in einer Exportbilanz alles auftauchen darf - und was nicht.

Sizilien ist das Ziel Tausender Flüchtlinge

Die italienische Präsidentschaft hat Sizilien wohl auch als Veranstaltungsort gewählt, weil die Insel eines der europäischen Ziele Tausender Flüchtlinge ist, die sich an der nordafrikanischen Küste ins Mittelmeer wagen. Migration sollte auf diesem Gipfel ein wichtiges Thema sein - und blieb schließlich eines unter vielen. Es ist gut möglich, dass wieder ein paar Dutzend Menschen südlich von Taormina ertrunken sind, während im pittoresken Kloster San Domenico über die Formulierung der äußerst allgemeinen zwei Absätze über die Flüchtlingspolitik in der Abschlusserklärung gerungen wurde.

Wer sind wir - und wenn ja, wie viele. Die Anleihe bei Richard David Precht trifft den aktuellen Zustand der G 7. Nach Donald Trumps Europa-Reise ist weiter unklar, ob der US-Präsident in solchen Foren internationaler Zusammenarbeit auch Chancen für die amerikanische Zukunft sieht. Wobei zum ganzen Bild gehört, dass nicht jede Frage an die bisherige Politik unberechtigt ist, nur weil sie von Trump kommt. So rüpelhaft sein Auftritt bei der Nato war, so richtig ist die Debatte, was dieser Gemeinschaft ihre Sicherheit wert ist, wie sie gewährleistet werden soll - und von wem. Und auch in Handelsfragen tut es gerade der deutschen Politik gut, dass sie nicht mehr nach der Devise aller zur Veränderung Unwilligen verfahren kann: das haben wir doch immer so gemacht. Das Problem entsteht eher dadurch, dass Trump auch manches berechtigte Interesse stets mit der Attitüde desjenigen vorträgt, der angeblich fortwährend über den Tisch gezogen wird.

Taormina hat viele Fragen offen gelassen. Ein erfolgreicher Gipfel sieht anders aus. Aber gar kein Gipfel wäre trotzdem die schlechtere Alternative. Das käme einer Selbstaufgabe des Westens im klassischen Sinne gleich. Und das wäre zu viel der Ehre für Donald Trump.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: