Gipfel in Elmau:Was bleibt, sind 21 Seiten

Barack Obama, Angela Merkel, Donald Tusk

Die guten Geister von Elmau: Angela Merkel, Barack Obama, Donald Tusk und andere Teilnehmer des G-7-Gipfels

(Foto: AP)

Ukraine, Ebola, Nahost, Meeresverschmutzung, Klimaschutz: Die Vertreter der G-7 haben sich in Elmau viel vorgenommen. Manche Ziele sind sehr vage formuliert - andere verheißen Sensationelles.

Von Michael Bauchmüller und Cerstin Gammelin, Schloss Elmau

Wenn die Zäune wieder abgebaut sind, die Bereitschaftspolizei in ihre Kasernen zurückgekehrt ist und das Werdenfelser Land sich wieder den Touristen widmen kann, dann bleiben sie: 21 Seiten. Das Gipfeldokument. Viele gute Geister haben es vorbereitet, und die sieben Chefs haben es in 14 Stunden Arbeit abgesegnet. Das beschloss die G 7 auf Schloss Elmau:

Klimapolitik Erstmals bekennen sich die sieben Industriestaaten zu einer völligen Abkehr von klimaschädlichen Gasen. Im Laufe dieses Jahrhunderts solle die Weltwirtschaft klimaneutral werden, fordern sie. Diese "Dekarbonisierung" war lange umstritten, sie fasst erstmals das bisherige Zwei-Grad-Ziel in eine konkrete Form. Die G-7-Staaten wollen dabei vorweg gehen - und bis 2050 bei Strom, Wärme und Verkehr von fossilen Energien wegkommen. Sie strebten, so heißt es im Gipfeldokument, eine "Transformation der Energiesektoren" an. Umweltschützer sehen allein in dieser Festlegung eine "klimapolitische Sensation".

Die Klima-Abmachungen sollen die Klimakonferenz in Paris am Ende des Jahres unterstützen - und die Sprache der G 7 ist deutlich. So müssten die Emissionen bis 2050 weltweit massiv gesenkt werden, und zwar "am oberen Ende" dessen, was der Weltklimarat als Korridor empfohlen hat. Der liegt zwischen minus 40 und 70 Prozent gegenüber 2010. Für ein neues globales Klimaabkommen verlangt die G 7 bindende Regeln etwa für die Einhaltung von Klimazielen, aber auch stetig wachsende Anstrengungen der Staaten - mit dem Fernziel, die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten, verglichen mit der Temperatur vor Beginn der Industrialisierung. Parallel sollen sich mit Hilfe der G 7 mehr Menschen gegen die Folgen des Klimawandels versichern können.

Gesundheit Die G 7 will sich stärker gegen Pandemien wie Ebola engagieren. "Wir haben alle gesehen, dass wir schlecht reagiert haben auf die Ebola-Krise", sagt Kanzlerin Angela Merkel nach Ende des Gipfels. Mindestens 60 Staaten, darunter auch die Ebola-Staaten Westafrikas, sollen deshalb bei der Prävention unterstützt werden. Auch den Einsatz von Expertenteams will die G 7 besser koordinieren, um die Hilfe zu beschleunigen. Davon unabhängig befassten sich die Staaten erstmals auch mit dem wachsenden Problem der Antibiotika-Resistenzen. Sehr konkret werden sie hier aber nicht.

Lieferketten Die G 7 wünscht sich bessere Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern, bleibt aber auch hier sehr vage. So sollten internationale Standards zum Schutz von Arbeitnehmern und der Umwelt "besser" umgesetzt werden, beschloss sie. Auch sollten Unternehmen "ermutigt" werden, die Zustände entlang ihrer Lieferketten besser zu überprüfen. Damit mehr Menschen sich gegen Arbeitsunfälle absichern können, unterstützen die sieben Industrieländer einen Vision-Zero-Fonds, der bei der Internationalen Arbeitsorganisation ILO entstehen soll. Immerhin symbolisch leisteten die Chefs der G 7 einen konkreten Beitrag: Sie füllten eine 2,5 Millionen Dollar große Lücke in dem Fonds, der nach dem Unglück in der bangladeschischen Textilfabrik Rana Plaza geschaffen worden war.

Schutz der Meere "Noch wirksamer und intensiver" soll nach Auffassung der G 7 die Vermüllung der Meere bekämpft werden, etwa Plastikabfälle. Ziel müsse eine "weltweite Bewegung" dagegen sein. An den umstrittenen Tiefseebergbau wollen die Sieben "umsichtig" herangehen. Nötig sei ein unmissverständlicher Kodex, an dem die Internationale Meeresbodenbehörde gerade arbeitet.

Frauen Die G 7 will Unternehmerinnen helfen, etwa durch leichteren Zugang zu Krediten. Weltweit führten deutlich weniger Frauen als Männer Unternehmen. Zudem verpflichteten sich die Sieben, mehr Frauen und Mädchen in Entwicklungsländern eine Ausbildung zu ermöglichen - bis 2030 soll die Zahl der geförderten Ausbildungsplätze um ein Drittel steigen.

Flüchtlinge Italiens Premierminister Matteo Renzi sprach das Problem an, für das die europäischen Staats- und Regierungschefs bisher keine Lösung gefunden haben. Jede Woche, sagte Renzi, landeten an Italiens Küste 4000 bis 5000 Flüchtlinge an. Der Zustrom sei absehbar nicht mehr zu verkraften. Im Schlussdokument zeigt sich nun auch die G 7 "äußerst besorgt". Das "Verbrechen der Schleusung" müsse wirksam angegangen werden. Gleichzeitig aber sollten alle Länder daran arbeiten, Fluchtursachen abzustellen - durch Entwicklung.

Ukraine/Russland Die Botschaft der G 7 ist eindeutig: Die Ukraine darf nicht scheitern. Das Land stehe vor "unglaublichen Herausforderungen", wirtschaftlich wie politisch, verlautete aus Schloss Elmau. Die demokratisch gewählte Regierung in Kiew habe das Erbe eines korrupten und von Oligarchen dominierten Staates übernommen und kämpfe mit einer Wirtschaftskrise. Am zweiten Gipfeltag beriet die G 7 mit Christine Lagarde, der Chefin des Internationalen Währungsfonds, über finanzielle Hilfen. Die Botschafter der G 7 verabredeten sich, eine Ukraine-Unterstützungsgruppe zu bilden. Auch die Sprache im Abschlussdokument ist klar: So erinnert die G 7 freundlich daran, dass die Sanktionen "in direktem Zusammenhang mit der vollständigen Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk und der Achtung der Souveränität der Ukraine durch Russland stehen sollte". Komme Russland den Verpflichtungen nach, könnten sie abgebaut werden - sonst aber eben nicht.

Nahost Dreiviertel der Zeit des Abendessens am Sonntag sprachen die Chefs über außenpolitische Krisen. US-Präsident Barack Obama berichtete über die Verhandlungen mit Iran. Besonders besorgt zeigten sich die Sieben über die Lage in Libyen und den Vormarsch der Terrormiliz Islamischer Staat. Das Land brauche eine demokratische Regierung. "Die Zeit des Kämpfens ist vorbei", heißt es im G-7-Papier. "Nun ist der Moment für mutige politische Entscheidungen gekommen."

Nächstes Mal Der nächste Gipfel findet 2016 in Japan statt, im Küstenort Shima. Höchste Zeit, mit den Vorbereitungen für das Spektakel zu beginnen.

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