Gewerkschaft der Polizei:"Die Polizei hat nichts zu verstecken"

Sollten Einsatzkräfte Namen oder Nummern an der Uniform tragen? Nein, sagt Oliver Malchow. Er beklagt Misstrauen aus einer "bestimmten politischen Richtung".

Interview von Ronen Steinke

Mehrere Bundesländer diskutieren derzeit darüber, ob Polizisten ein Namensschild oder wenigstens eine Nummer sichtbar an ihrer Uniform tragen sollten - wichtig für Bürger, die sich beschweren wollen. Rot-Schwarz in Mecklenburg-Vorpommern hat diese Pflicht zum 1. Januar eingeführt, gegen den Protest der Beamten. Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen hat sie jüngst wieder abgeschafft, unter dem Jubel der Beamten.

SZ: Herr Malchow, fehlt es der Polizei in Deutschland an Selbstbewusstsein?

Oliver Malchow: Ganz bestimmt nicht. Die Polizei arbeitet rechtsstaatlich, genießt hohes Ansehen in der Bevölkerung. Warum sollte sie da an sich zweifeln.

Es ist nur verwunderlich: Wer professionell, rechtsstaatlich und sauber arbeitet, muss doch keine Angst davor haben, ein Namensschild zu tragen.

Die Frage ist, ob mit der Forderung nach solchen Namensschildern nicht Misstrauen gegenüber der Polizei aus einer bestimmten politischen Richtung heraus ausgedrückt wird. Dagegen verwahren sich die Kolleginnen und Kollegen. Die Polizei hat nichts zu verstecken. Wenn jemand bei uns einen Fehler begeht, wird das straf- oder disziplinarrechtlich belangt. Warum es jetzt noch einer Kennzeichnungspflicht bedurfte, weiß ich nicht.

Zwei Beispiele. Bei den Protesten gegen Stuttgart 21 gab es 156 Anzeigen gegen Polizeibeamte. Alle mussten am Ende eingestellt werden, weil man die Beamten nicht identifizieren konnte. Bei den Blockupy-Protesten 2013 in Frankfurt setzte ein Polizist aus Nordrhein-Westfalen Pfefferspray gegen einen Fotografen ein. Wieder konnte die Identität des Beamten nicht geklärt werden.

Die Frage ist doch, ob Namens- oder Nummernschilder an der Uniform dazu führen, dass wir solche einzelnen Fälle von Fehlverhalten nicht mehr haben werden. Die Wahrheit ist: Die meisten Polizisten tragen schon heute freiwillig ein Namensschild, wenn sie auf die Straße gehen und mit Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt kommen, das ist für viele ganz selbstverständlich. Bei der Diskussion jetzt geht es eigentlich nur um sogenannte geschlossene Einsätze. Also etwa Demonstrationen, Räumungen von Orten wie dem besetzten Haus in der Rigaer Straße in Berlin oder Razzien gegen Rocker. Das sind gefährliche Einsätze. Da geht es um die Frage, ob es einem Polizisten zuzumuten ist, sich zusätzlich noch mit seinem Namen zu exponieren oder mit einer Nummer, mit deren Hilfe sich sein Name recherchieren lässt. Die Frage ist: Wie wirkt sich das aus?

Wenigstens könnte man hinterher Vorwürfe aufklären.

Wirkt das wirklich nur so, dass ich mich als Polizist noch genauer an Recht und Gesetz halte? Dann wäre dagegen ja nichts zu sagen. Oder wirkt es auch so, dass ich eingeschüchtert bin? Weil ich befürchten muss, dass es Strafanzeigen gegen mich hagelt, von einer Klientel, die auf Konflikt aus ist? Man sollte wissen: Solche Anzeigen haben polizeiintern immer Wirkungen. Solange eine Ermittlung gegen mich läuft, bin ich raus bei Beförderungen und bei Stellenbesetzungsverfahren. Eine solche Sorge kann hemmend wirken auf Polizisten, die ihre Pflicht tun sollen. Das wäre nicht im Sinne der Bürger.

Polizei, Polizeigesetz

Waffenklirrend? Die neuen Polizeigesetze erweitern die Möglichkeiten der Sicherheitskräfte deutlich.

(Foto: Thomas Lohnes/Getty Images)

Berichten Kollegen Ihnen so etwas?

Über solche Sorgen kann man, wenn überhaupt, nur unter vier Augen ehrlich sprechen. Wenn die Kolleginnen und Kollegen gegen Rocker ausrücken, dann werden sie oft bedroht. Oder denken Sie an die Rigaer Straße in Berlin: Zuletzt wurden Polizisten, die dort im Einsatz waren, im Internet an den Pranger gestellt, mit der Aufforderung, ihre Privatadresse zu ermitteln. Solche Drohgebärden hat es auch früher schon gegeben. Aber mit den modernen Medien können Bilder leichter verbreitet werden, als wenn es früher mal ein Flugblatt gab oder die Verteilung von Fotos in irgendwelchen kleinen Zirkeln.

Das erklärt, warum das Thema eine größere Emotionalität auslöst.

Richtig. Die Kolleginnen und Kollegen werden heute ständig gefilmt. Und das ist übrigens noch ein Argument: Bei Demos oder Razzien tragen sie schon heute auf dem Rücken stets eine große Markierung, zu welcher Gruppe sie gehören. Eine Gruppe besteht aus sieben bis neun Leuten. Das heißt, wenn hinterher eine Anzeige kommt, können wir schon heute intern zuordnen, wer wohl gemeint ist.

Die Frage ist nur, ob Bürger und Justiz darauf vertrauen dürfen, dass die Polizisten dann mit dem Finger auf den einen Kollegen unter ihnen zeigen, der sich rechtswidrig verhalten hat. Alle Erfahrung zeigt: nein.

Wenn sie zusammen in harte Einsätze hineingehen, wo auch ihre Gesundheit auf dem Spiel steht, müssen sie zusammenstehen. Das heißt nicht, dass man andere bei Fehlverhalten decken darf. Wir wollen, dass Polizisten rechtsstaatlich handeln.

Aber gerade um dieses Problem geht es doch. Im November hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte deshalb die Bundesrepublik gerügt. Zwei Fans von 1860 München waren von Beamten der Spezialeinheit USK verprügelt worden. Die Aufklärung war unmöglich, weil die Beamten nur nachtblaue Overalls, Helme mit Visier, aber keine Namens- oder Nummernschilder trugen.

Das wird immer ein Problem sein, dass manche Täter davonkommen. Das Problem haben wir auch bei der normalen Kriminalität in der Bevölkerung.

Gewerkschaft der Polizei zu G20

Oliver Malchow, 54, ist Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, die 187<ET>000 Mitglieder vertritt. Malchow ist SPD-Mitglied<NM1>, kam 1983 nach dem Abitur zur Polizei <NM> und leitete eine Dienststelle an der Ostsee, bevor er 2013 an die Spitze der Kriminalpolizei Kiel kam.

(Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)

Der Menschenrechts-Gerichtshof wählte harte Worte: "Die resultierende Unvermögen von Augenzeugen und Opfern, der Misshandlung verdächtige Polizeibeamte zu identifizieren, kann zu einer praktischen Straflosigkeit für eine bestimmte Sorte von Polizeibeamten führen."

Für mich wäre ja interessant, ob die Problemfälle, die angeblich zu einer Einführung der Kennzeichnungspflicht geführt haben, infolge der Einführung nicht mehr auftauchen. Da habe ich keinen Befund.

In Hessen wurde die Kennzeichnungspflicht 2014 eingeführt. Die Zahl der Beschwerden gegen Polizisten ist im Jahr danach gesunken. Man könnte das so deuten: Schwarze Schafe in der Polizei, die sich kontrolliert fühlen, reißen sich am Riemen.

Es kann sein, dass das in Hessen der Fall war. Deutungen sind natürlich immer ungewiss. Was hingegen mit Händen zu greifen ist, und das erlebe ich konkret, ist die Frustration von Kolleginnen und Kollegen, die den Kopf hinhalten und trotzdem erleben, wie sich kleine Gruppen mit ihrem Misstrauen gegenüber der Polizei politisch durchsetzen können.

Wie ist Ihr Eindruck: Ist das Vertrauen der Bürger in die Polizei beschädigt, etwa nach dem Debakel im Umgang mit der G-20-Gewalt in Hamburg?

Ich erinnere mich, wie ganz viele Hamburger nach den Ausschreitungen zu meinen Kolleginnen und Kollegen hingegangen sind, sie versorgt und ihnen gesagt haben: Danke, dass ihr hier seid. Also, da ist nichts Grundsätzliches zu Bruch gegangen. Die wenigen Leute, die wirklich mit der Polizei gebrochen haben, haben das schon lange vorher getan.

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