Gewalt in Syrien:Sondergesandter Annan drängt nach Damaskus

Der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan will so rasch wie möglich seine Syrien-Mission beginnen, doch ob das Regime von Machthaber Baschar al-Assad mit ihm verhandeln wird, ist unklar. Derweil gehen Assad-treue Truppen weiter brutal gegen Oppositionelle vor - Flüchtlinge berichten von schlimmster Folter.

Der neue Syrien-Sondergesandte von Vereinten Nationen und Arabischer Liga, Kofi Annan, will so rasch wie möglich nach Damaskus reisen. Er plane, nach einem Zwischenstopp bei der Arabischen Liga in Kairo "ziemlich bald" die syrische Hauptstadt zu besuchen, sagte der frühere UN-Generalsekretär nach einem Treffen mit seinem Nachfolger Ban Ki Moon im UN-Hauptquartier in New York. Er wisse aber nicht, ob er den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad treffen werde, sagte Annan. Jedoch wolle er diesen in eine Lösung des Konflikts einbinden.

"Es gibt keine drängendere Aufgabe für die internationale Gemeinschaft, als das Töten sofort zu beenden", sagte Ban. Die syrische Regierung müsse umgehend aufhören, Gewalt gegen Zivilisten einzusetzen. Annan sagte, er wolle in Syrien auf eine sofortige Feuerpause drängen: "Die Botschaft ist klar: Das Töten und die Gewalt müssen aufhören, Hilfsorganisationen müssen Zugang erhalten. Es ist bedauerlich, dass beides noch nicht der Fall ist."

Die syrischen Regierungstruppen verstärkten am Mittwoch nach Angaben von Aktivisten ihre seit Wochen anhaltenden Angriffe auf die Oppositionshochburg Homs. "Homs erlebt jetzt und heute die schlimmsten Angriffe", berichtete der Aktivist Hadi Abdullah dem arabischen Nachrichtensender al-Dschasira aus der belagerten Stadt. "Jeder Bezirk und jedes Wohngebiet in Homs ist umstellt."

Es gebe Berichte, dass Soldaten Wohnhäuser und andere Gebäude nach Deserteuren und Angehörigen der oppositionellen Freien Syrischen Armee durchsuchten, meldete der Sender. Kämpfe und Zusammenstöße wurden am Mittwoch auch aus den Provinzen Daraa, Deir as-Saur und aus Aleppo gemeldet. Zudem soll es zahlreiche Festnahmen in der Ortschaft Halfaja im Umland der Stadt Hama gegeben haben, die an den Tagen zuvor belagert und mit schweren Waffen beschossen worden war.

In Jordanien berichten Flüchtlinge von Folter durch Assad-Anhänger. Die Nachrichtenagentur AFP zitiert Regimegegner, die mit Elektroschocks traktiert und verbrüht worden sein sollen, einigen seien Ohren und Geschlechtsteile abgeschnitten worden. Mediziner der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in einer Klinik versuchten, die Folgen der Folter zu lindern.

UN-Nothilfekoordinatorin darf bislang nicht einreisen

Nach neuen Schätzungen der Vereinten Nationen sind in Syrien seit Beginn der Proteste gegen das Assad-Regime im März vergangenen Jahres mehr als 7500 Menschen ums Leben gekommen.

Der Sondergesandte Annan appellierte an die internationale Gemeinschaft, sich geschlossen hinter seine Mission zu stellen. "Es ist extrem wichtig, dass wir alle akzeptieren, dass es nur einen Vermittlungsprozess geben sollte - nämlich den, um dessen Führung mich UN und Arabische Liga gebeten haben", sagte der 73-jährige Spitzendiplomat aus Ghana. Annan kündigte an, Assad in eine Lösung des Konflikts einbinden zu wollen. "Ich will versuchen, ihn auf den heute beginnenden Prozess zu verpflichten", sagte Annan. Ob er den umstrittenen Machthaber treffen könne, sei aber nicht sicher.

Die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos wartet schon seit Tagen darauf, in das von schweren Kämpfen erschütterte Land einreisen zu dürfen. Offiziell heißt es aus Damaskus, man habe keine Termine für sie frei. "Ich bin tief enttäuscht, dass ich Syrien nicht besuchen kann", erklärte Amos. Sie habe mehrfach syrische Offizielle um Termine gebeten, um die humanitäre Lage in dem seit fast einem Jahr von schweren Kämpfen heimgesuchten Land zu besprechen. Zudem hatte sie auf ungehinderten Zugang für Helfer gedrängt.

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