Gewalt in Gaza eskaliert:Hamas-Kämpfer stürmen Fatah-Hauptquartier

Extremisten der palästinensischen Hamas haben in Gaza das Hauptquartier einer Sicherheitseinheit der rivalisierenden Fatah gestürmt. Präsident Abbas warnt vor einem Putsch - und appelliert an alle Palästinenser, die Waffen niederzulegen.

Angesichts der eskalierenden Gewalt im Gazastreifen hat der palästinensische Präsident Mahmud Abbas an seine Fatah sowie die rivalisierende Hamas appelliert, die Waffen umgehend niederzulegen.

Zerstörtes Haus

Das zerstörte Haus des Fatah-Führes Dschamal Abu al-Dschedijan.

(Foto: Foto: Reuters)

"Um das höherrangige nationale Interesse unseres Volkes zu schützen und um das Blutvergießen zu beenden, rufe ich in meiner Position als Oberhaupt der palästinensischen Autonomiebehörde und Chef aller Sicherheitskräfte zu einer sofortigen Feuerpause auf", sagte Abbas in Ramallah.

Der Präsident forderte die Konfliktparteien auf, gemeinsam mit ägyptischen Vermittlern zusammenzukommen, um ein Ende der Kämpfe zu erreichen.

Zuvor hatten Milizionäre der Hamas im nördlichen Gazastreifen das Hauptquartier jener Sicherheitskräfte angegriffen, die der Fatah nahestehen. Etwa 200 Hamas-Kämpfer umstellten das Gebäude in der Flüchtlingssiedlung Dschebalija und beschossen es mit Mörsern und Granaten. Im Inneren wurden etwa 500 bewaffnete Fatah-Anhänger vermutet. Den Kämpfen sind in den vergangenen vier Wochen schon rund 80 Menschen zum Opfer gefallen.

Wenige Minuten nach Ablauf einer Frist um 13 Uhr drangen Kämpfer der Hamas-Miliz in das Gelände jener Sicherheitskräfte ein, die loyal zu Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas sind. Die Hamas hatte die Fatah am Morgen in einem Ultimatum aufgefordert, mehrere Hauptquartiere in der Stadt zu räumen. Als betroffene Einheiten wurden unter anderem der militärische Geheimdienst und die Präsidentengarde genannt.

Abbas fürchtet Putsch

Abbas hatte daraufhin in einer ersten Reaktion den politischen und militärischen Führern der Hamas vorgeworfen, sie planten einen Putsch. Unterdessen wurde auch das Wohnhaus des palästinensischen Ministerpräsidenten der Hamas, Ismail Hanija, mit einer Granate angegriffen.

In einem der Hamas gehörenden Radiosender hieß es, die Kämpfer der Organisation hätten bereits die Kontrolle über Sicherheitseinrichtungen im Norden und in der Mitte des Gazastreifens sowie in der südlich gelegenen Stadt Chan Junis übernommen.

Über die Lautsprecher einer Moschee in Gaza wurde gewarnt, die Hamas werde auch den Sitz des Präventiven Sicherheitsdienstes angreifen, der der Fatah nahesteht. Kurz danach waren dort vereinzelt Schüsse zu hören.

Einer der Kommandeure der Fatah im südlichen Gazastreifen, Oberst Nasser Chaldi, räumte ein, dass seine Einheiten in der Defensive seien. Am Mittag forderte er Abbas auf, den Befehl zum Gegenangriff zu geben.

"Das ist Krieg"

"Es gibt eine Schwäche unserer Führung", sagte Chaldi. "Die Hamas übernimmt einfach unsere Stellungen. Es gibt keine Befehle. Die Befehle müssen von Abbas kommen, von niemandem sonst." An mehreren Orten im Gazastreifen kam es zu heftigen Gefechten.

Ägyptische Vermittler meldeten, beide Seiten hätten es abgelehnt, sich zu Waffenstillstandsverhandlungen zu treffen. Bei den heftigen Kämpfen zwischen der Hamas und der Fatah wurden am Montag und Dienstag mindestens 19 Menschen getötet.

Bei dem Granatangriff auf das Haus von Hanija wurde niemand verletzt, doch entstand einiger Sachschaden. Der Hamas-Politiker hielt sich zum Zeitpunkt des Angriffs in dem Haus am Rand von Gaza-Stadt auf, wie aus Sicherheitskreisen verlautete. Erst am Montag war das Haus von Abbas von vier Granaten getroffen worden.

Die Situation könne nur noch als Krieg bezeichnet werden, sagte Fatah-Sprecher Maher Mikdad. In einer Botschaft der Fatah wurden alle Mitglieder aufgerufen, alle politischen und militärischen Führer der Hamas anzugreifen. Für Empörung sorgte bei der Partei von Abbas vor allem der Überfall auf den Fatah-Funktionär Dschamal Abu al-Dschedijan, der am Montagabend im nördlichen Gazastreifen aus seinem Haus gezerrt und mit 45 Schüssen getötet wurde.

UN-Sondergesandter alarmiert über Lage in Nahost

Um den innerpalästinensischen Konflikt zu bereinigen, wurde die Fatah im März an der Regierung beteiligt. Im Streit über die Kontrolle der Sicherheitskräfte flammten Mitte Mai aber neue Kämpfe zwischen Fatah und Hamas auf. Seitdem kamen dabei mehr als 80 Menschen ums Leben.

Der UN-Sondergesandte Terje Roed-Larsen zeigte sich alarmiert über die wachsende Gewalt im Nahen Osten. Er sehe drei Alternativen für die Region und die internationale Gemeinschaft, sagte Roed-Larsen am Montag vor Journalisten in New York: einen Krieg, neue Bemühungen zur Eindämmung der Gewalt und eine engagierte Diplomatie, um einen dauerhaften Frieden zu erreichen.

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