Gewalt gegen Lehrer und Mitschüler:Berliner Hauptschule bekommt Polizeischutz

Weil sie sich mit der täglichen Gewalt überfordert fühlt, hat die Leiterin der Rütli-Hauptschule in Neukölln das Ministerium um Schließung ihrer Schule gebeten. Ihre Lehrer trauen sich nur noch mit Handys in die Klassen - um notfalls Hilfe rufen zu können.

Nach dem Pausengong fliegen die Steine. Die Reporter am Zaun der Rütli-Schule ducken sich. Der Hausmeister kann nicht helfen. "Das ist hier jeden Tag so", sagt er und schließt das Fenster.

Gewalt gegen Lehrer und Mitschüler: Der Bezirksbürgermeister des Berliner Stadtbezirkes Neukölln, Heinz Buschkowsky, vor dem Eingang der Rütli-Hauptschule, die in die Schlagzeilen geraten ist.

Der Bezirksbürgermeister des Berliner Stadtbezirkes Neukölln, Heinz Buschkowsky, vor dem Eingang der Rütli-Hauptschule, die in die Schlagzeilen geraten ist.

(Foto: Foto: dpa)

An der Hauptschule in Berlin-Neukölln ist die Gewalt eskaliert. Wie aggressiv die Jugendlichen sind, ist an diesem Donnerstagmorgen zu spüren, sie rütteln am Zaun, zeigen den Stinkefinger und strotzen vor pubertärem Imponiergehabe.

"Ich habe jeden Tag eine Prügelei gesehen", sagt Ali, der seit einer Woche an der Schule ist. Auch Handy-Filme mit Gewaltszenen ("Happy slapping") machen dort die Runde, erzählt ein Mädchen.

Der Brief, der eine Lawine auslöste

Die Lehrer haben sich mit einem dramatischen Hilferuf an die Schulaufsicht gewandt. Dass sie die Schule mit ihrem hohen Ausländeranteil wegen der Gewalt ganz geschlossen haben wollen, stimmt zwar nicht, gleichwohl hat ihr Brief eine Lawine ausgelöst.

Die Schüler benehmen sich im Medienrummel vermutlich noch übler als sonst, die Stimmung wirkt aufgeladen. Als Notbremse hat Bildungssenator Klaus Böger (SPD) eine Polizeikontrolle versprochen, die wenigstens Waffen im Gebäude verhindern soll.

Neukölln ist ein armer Stadtteil, der nicht erst seit Detlev Bucks Kinofilm "Knallhart" als Problemkiez bekannt ist. In Berlin wird zudem seit längerem darüber diskutiert, wie arabisch- und türkischstämmige Jugendliche besser integriert werden können.

"Kriminelle und Terroristen"

An der Rütli-Schule scheint das Problem besonders drastisch zu sein: "Die Araber haben das Sagen und unterdrücken die Türken", berichtet eine ehemalige Lehrerin im "Tagesspiegel". Sie habe das Gefühl, an der Schule würden "Kriminelle und Terroristen" großgezogen.

Rund 80 Prozent an der Rütli-Schule sind ausländischer Herkunft. Die Jungen tragen Gel im dunklen Haar, einige gebärden sich vor den Kameras wie Nachwuchsmachos.

Was ihre Lehrer schreiben, klingt wie ein einziger Abgesang an das Konzept der Hauptschule, die oft als "Restschule" herhalten muss: Die Stimmung ist geprägt von "Aggressivität, Respektlosigkeit und Ignoranz uns Erwachsenen gegenüber".

Türen werden eingetreten, Papierkörbe als Fußbälle missbraucht und Knallkörper gezündet. Einige Pädagogen gehen nur noch mit Handy in bestimmte Klassen, damit sie notfalls schnell Hilfe holen können. Auch von den Eltern bekommen die Lehrer wenig Unterstützung.

Eltern, die keine Vorbilder sind

In den meisten Familien sind die Schüler die einzigen, die morgens aufstehen. "Wie sollen wir ihnen erklären, dass es trotzdem wichtig ist, in der Schule zu sein und einen Abschluss anzustreben?" Der kriminelle Intensivtäter wird zum Vorbild, haben die Lehrer beobachtet.

Das alles ist Wasser auf die Mühlen der Opposition, die Bildungssenator Böger Versagen vorwirft. Der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD), für den der Traum des harmonischen Miteinanders längst vorbei ist, sieht sich bestätigt.

"Multi-Kulti regelt gar nüscht", sagt er vor dem Schultor. "Wir müssen in den schwierigen Gebieten mehr in die jungen Leute investieren." In Neukölln gibt es aber auch Jugendliche aus Migrantenfamilien, die es auf das Gymnasium 500 Meter weiter schaffen, betont er.

Aber dafür interessiert sich derzeit niemand. An Hauptschulen brennt es, die Rütli-Schule ist ein drastisches Beispiel. Bildungssenator Böger bestreitet, dass er zu spät gehandelt hat.

"Kein Schüler wird aufgegeben"

"Es ist nicht so, als schauten wir über alles hinweg." Er kenne den Brief der Rütli-Pädagogen, der an die Schulaufsicht gegangen sei, seit Mittwoch. Im kommenden Schuljahr soll die Hauptschule mit der benachbarten Realschule zusammengelegt werden, was für ihn aber kein Patentrezept angesichts der "schwierigen Schülerschaft" ist.

Auch Unterstützung durch zwei Experten aus dem schulpsychologischen Dienst und einen Ersatz für die erkrankte Schulleiterin sichert Böger zu. "Kein Schüler wird aufgegeben."

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