Gewalt gegen Helfer:Polizei schützt Feuerwehr

Sie kommen, um zu helfen - und können es oft nicht. Immer häufiger behindern aggressive Schaulustige die Rettungseinsätze von Feuerwehr und Sanitätern.

Ralf Wiegand

Die Feuerwehrleute verstanden die Welt nicht mehr, als sie kurz vor 23 Uhr den Brandort erreichten. Vor dem Mietshaus im Hamburger Stadtteil Billstedt, in dem eine Küche Feuer gefangen hatte, trafen die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Billstedt-Horn trotz nächtlicher Stunde auf eine "große Ansammlung von Menschen, die hektisch das Geschehen kommentierte", notierte Feuerwehrmann Claudius Güther fürs spätere Protokoll.

Beim aufgeregten Geschnattere der Schaulustigen blieb es nicht. Alsbald wurden die Rettungskräfte "von einer größer werdenden Anzahl Jugendlicher" behindert, die "in einer unverständlich aggressiven Art und Weise den Einsatzkräften entgegentraten". Der Feuerwehrnotruf verwandelte sich in einen brisanten Großeinsatz der Polizei: Zehn Streifenwagen waren nötig, um die Löscharbeiten sicherzustellen.

"Wenn zu einem Küchenbrand zehn Funkstreifen ausrücken müssen, dann läuft etwas gehörig schief und ist nicht zu akzeptieren", sagt Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU).

Die zunehmende Gewalt gegen Einsatzkräfte - ob Polizisten, Feuerwehrleute oder Sanitäter - beschäftigt auch die Politik. Ahlhaus, derzeit Vorsitzender der Innenministerkonferenz, hat eine Gesetzesänderung angeregt und dazu bereits beim Bundesinnenminister vorgesprochen.

Paragraf 113 des Strafgesetzbuches, der den "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte" regelt, reiche für willkürliche Angriffe vor allem auf Polizeibeamte nicht aus, sagt er. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann will ebenfalls eine Verschärfung.

Notwendig wäre ein neues Gesetz, das "Angriffe auf Polizeibeamte stärker unter Strafe stellt als Körperverletzung", findet auch Christian Pfeiffer, Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Hannover. Seit Dienstag liegen Pfeiffers Institut die ersten Datensätze aus einer bundesweiten Erhebung zur Gewalt gegen Polizeibeamte vor. Eine erste Auswertung soll bis zur nächsten Innenministerkonferenz im Mai fertig sein.

Pöbelnde Schaulustige

Vielleicht sollte das Gesetz auch Feuerwehrleute und Sanitäter berücksichtigen. So berichtete die Hamburger Polizei vergangene Woche von einer nächtlichen Auseinandersetzung im Schanzenviertel. Diejenigen, die zuvor schon Polizeibeamte willkürlich angegriffen hätten, hätten später auch Sanitäter behindert, die einer verletzten Frau helfen wollten. Übergriffe auf Rettungskräfte finden sich in Polizeiarchiven vieler Städte.

In Berlin ist der Fall eines neunjährigen Jungen protokolliert, der beim Überqueren einer Straße angefahren wurde. Zunächst begann nur einer aus dem Kreis der Schaulustigen, die herbeigerufenen Feuerwehrleute zu beschimpfen - nach und nach schlossen sich bis zu 30 Gaffer den Pöbeleien an, bis die Polizei kam.

Erst Anfang des Monats wussten sich Sanitäter im baden-württembergischen Singen nicht anders zu helfen, als die Polizei zu rufen: Betrunkene Jugendliche wurden gegen die Helfer handgreiflich, die einen 19-Jährigen versorgen wollten.

Gaffer gebe es schon immer, sagt Pfeiffer. "Neu ist aber die Aggressivität, mit der diese Leute ihr vermeintliches Recht durchsetzen, in der ersten Reihe stehen zu dürfen." Viele Faktoren spielten dabei eine Rolle, etwa die Solidarisierung von Randgruppen gegen Obrigkeiten oder die Ablehnung von Autoritäten generell. "Beamte im Einsatz", rät Pfeiffer daher, sollten sich "angewöhnen, dass sie nicht anordnen dürfen, weil autoritäres Verhalten nicht mehr akzeptiert wird".

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