Gewalt des Assad-Regimes:Amnesty kritisiert Folter in syrischen Gefängnissen

Mit brutalen Militäreinsätzen versucht das Regime in Syrien, den Widerstand der eigenen Bevölkerung zu brechen. Nach Homs sollen die Truppen von Präsident Assad nun auch die Stadt Idlib eingenommen haben. Aufständische berichten von Massakern an den Einwohnern. Amnesty International prangert zudem an, dass Festgenommene in syrischen Gefängnissen systematisch gefoltert werden.

In syrischen Gefängnissen wird nach einem neuen Bericht von Amnesty International seit Beginn der Massenproteste gegen Präsident Baschar al-Assad systematisch gefoltert. Wie die Menschrechtsorganisation in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht mit dem Titel "Ich wollte sterben" schreibt, hat das Ausmaß der Misshandlungen ein neues Niveau erreicht und erinnert an das brutale Vorgehen des Regimes in den siebziger und achtziger Jahren.

In dem Bericht erzählen Opfer von 31 Foltermethoden. Die oft bei Massenverhaftungen Festgenommenen seien bei ihrer Ankunft in den Gefängnissen mit Stöcken, Gewehrkolben oder Fäusten geschlagen oder ausgepeitscht worden. In der Regel seien die Neuankömmlinge bis auf die Unterhosen ausgezogen worden. Manche mussten bis zu 24 Stunden im Freien verbringen.

Bei Verhören seien einige Gefangene mit gefesselten Händen aufgehängt worden, so dass sie gerade mit den Zehenspitzen den Boden berührten, und zudem geschlagen worden. Ein 18-Jähriger aus der Provinz Daraa habe gesagt, dass die Sicherheitskräfte seine Beine mit Zangen traktiert hätten. Überlebende von Verhören berichteten dem Bericht zufolge, dass sie in einen Autoreifen gezwängt, aufgehängt und mit Stöcken und Kabeln misshandelt worden seien.

Auch Elektroschocks gehörten laut dem Bericht zur Befragungspraxis. In einigen Fällen sei die Gefängniszelle unter Wasser gesetzt worden, um den Strom zum Inhaftierten zu leiten. Zudem hätten Berichte über Vergewaltigungen von Gefangenen zugenommen. Amnesty International wertete die Aussagen als weiteren Beweis dafür, dass in Syrien Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt werden. Interviewt wurden den Angaben nach Dutzende Syrer, die nach Jordanien geflohen waren.

Nationalrat fordert militärisches Eingreifen

Die Truppen von Präsident Assad nehmen nach der syrischen Protesthochburg Homs jetzt offenbar die Provinz Idlib an der Grenze zur Türkei ins Visier. In der Provinz, in der bei der Offensive am Dienstag zahlreiche Menschen umgekommen sein sollen, halten sich viele Deserteure auf. Oppositionelle berichteten am Mittwoch von Massakern in der Provinzhauptstadt Idlib und verlustreichen Gefechten in Dörfern an der Grenze zur Türkei.

Nach Angaben der Aufständischen haben Assads Truppen die Stadt Idlib inzwischen vollständig eingenommen. "Seit gestern Abend gibt es keine Kämpfe mehr, die Freie Syrische Armee hat sich zurückgezogen", berichtete Nureddin al-Abdo in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur AFP in Beirut. Die reguläre Armee habe die Stadt vollständig gestürmt und durchsuche nun die Häuser, sagte er. Bis zum Morgen habe es zahlreiche Festnahmen gegeben. Die Aufständischen hätten sich zurückgezogen, da "jeder weiß, dass sie nicht in der Lage sind, der Armee die Stirn zu bieten".

Angesichts der massiven Gewalt ruft der oppositionelle Syrische Nationalrat das Ausland zu einer Militärintervention auf: "Wir fordern ein militärisches Eingreifen der arabischen Staaten und der internationalen Staatengemeinschaft", schreibt der Nationalrat in einer Erklärung vom Dienstag. Der Rat appellierte erneut an die Arabische Liga und an den Westen, eine Flugverbotszone über dem gesamten Staatsgebiet und Schutzzonen für Zivilisten einzurichten. Die "Tötungs- und Zerstörungsmaschinerie" müsse ausgeschaltet werden.

Zudem bat der Rat, Waffen an die Deserteure der Freien Syrischen Armee zu liefern. "Wir haben keine andere Wahl mehr, als uns mit Waffengewalt zu wehren", sagte Bassam Ishak, ein Mitglied des Syrischen Nationalrates dem Nachrichtensender Al-Arabija.

Tunesiens Ministerpräsident Hamadi Jebali wies die Forderung der Oppositionellen vehement zurück. Ein militärisches Eingreifen wäre "reiner Wahnsinn" und würde Assad den Vorwand liefern, um seine Armee noch schärfer vorgehen zu lassen, sagte er Spiegel Online.

Unterdessen hat Präsident Assad offenbar auf die Vorschläge des Syrien-Gesandten von Uno und Arabischer Liga, Kofi Annan, reagiert. Die Antwort der syrischen Regierung werde derzeit geprüft, sagte Annans Sprecher, Ahmad Fawzi, der Nachrichtenagentur AFP. Zum Inhalt der Antwort wollte er zunächst keine Angaben machen. Annan hatte sich am Wochenende mit dem syrischen Präsidenten in Damaskus getroffen. Dabei machte Annan nach eigenen Angaben eine Reihe konkreter Vorschläge für ein Ende des Konflikts.

Assad kündigt Wahlen im Mai an

Das Regime in Damaskus kündigte Wahlen für den 7. Mai an. Ende Februar war in Syrien eine neue Verfassung in Kraft getreten, in der die Vormachtstellung der regierenden Baath-Partei nicht mehr festgeschrieben ist. Dennoch stellt die bevorstehende Wahl wohl keine Bedrohung für das Assad-Regime dar. Denn Beobachter gehen davon aus, dass eine saubere und faire Abstimmung in weiten Teilen des Landes wegen der Kämpfe und des Klimas der Angst ohnehin nicht möglich ist.

US-Außenamtssprecherin Victoria Nuland sagte am Dienstag in Washington: "Parlamentswahlen für ein Erfüllungsgehilfen-Parlament mitten in dieser Art Gewalt, die wir überall im Land sehen, sind lächerlich." Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurden allein am Dienstag mindestens 48 Menschen getötet, die meisten von ihnen Frauen und Kinder.

Nach UN-Schätzungen sind in dem seit einem Jahr andauernden Konflikt inzwischen etwa 8000 Menschen getötet worden. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Genf schätzte die Zahl der in die Nachbarländer geflohenen Syrer auf etwa 30.000. Innerhalb Syriens selbst unterstütze das UNHCR etwa 97.000 geflohene Menschen.

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