Gesundheitspolitik:Medikamente immer teurer

Bundesärztekammer und AOK fordern Gesetze gegen die hohen Preise. Viele Arzneimittel seien teurer als in anderen Ländern.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Die Kosten für Medikamente, die gesetzliche Krankenkassen übernehmen, sind im vergangenen Jahr erneut gestiegen. Mit 38,5 Milliarden Euro gaben die Kassen knapp vier Prozent mehr aus als noch 2015. Das zeigt der aktuelle Arzneiverordnungsreport des Wissenschaftlichen Instituts der AOK-Versicherungen. Grund für die steigenden Preise seien Lücken im deutschen Arzneimittelgesetz, kritisiert der Heidelberger Pharmakologie-Professor Ulrich Schwabe, einer der Herausgeber des Reports. Während in anderen europäischen Ländern neue Medikamente nur unter Auflagen von Ärzten verordnet und von Versicherungen erstattet würden, können Pharmaunternehmen in Deutschland ein Jahr lang so viel Geld verlangen, wie sie möchten. Erst dann tritt ein von Krankenkassen und Ärztevertretern ausgehandelter Packungspreis in Kraft.

Auch wegen dieser Gesetzeslage seien patentgeschützte Medikamente auf dem deutschen Markt teurer als in allen anderen EU-Ländern. In wirtschaftlich vergleichbaren Ländern wie Österreich seien die Listenpreise etwa 20 Prozent niedriger als hier. So koste etwa ein bestimmtes Medikament zur Behandlung von Multipler Sklerose in Deutschland 80 Prozent mehr als im Nachbarland Niederlande. "Das liegt schon an der Grenze zum Wucherpreis", sagt Schwabe. Besonders teuer sei eine neue Generation von Arzneimitteln, die mit Hilfe von Gentechnik hergestellt werden, sogenannte Biologika. Sie werden etwa zur Behandlung von Rheumapatienten eingesetzt und gelten als sehr wirkungsvoll. Wenn ein Arzt ein Biologikum verordnet, koste es fast neunmal so viel wie herkömmliche Medikamente. Dabei lägen die Herstellungskosten nur bei einem Viertel dieses Preises.

Fast jedes dritte neue Arzneimittel wird beschleunigt eingeführt

Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Bundesärztekammer, Wolf-Dieter Ludwig, macht zudem auf die steigende Zahl eilig eingeführter Medikamente aufmerksam. "In Deutschland kam im Jahr 2016 bereits fast jedes dritte neue Arzneimittel über beschleunigte Zulassungsverfahren", sagt er. Denn gerade bei Krebsmedikamenten erklärten Pharmaunternehmen der Europäischen Arzneimittel-Agentur häufig, dass ihre Produkte der Behandlung seltener Krankheiten dienten. Auf diese Weise könnten sie die Medikamentenstudien verkürzen. Deren Ergebnisse reichten dann jedoch meist nicht aus, "um Wirksamkeit und Sicherheit endgültig zu beurteilen", sagt Ludwig.

Solche schnell eingeführten Medikamente sollten in Deutschland ausschließlich in spezialisierten Kliniken oder Zentren zum Einsatz kommen, fordert Ludwig. Außerdem sollte jedes dieser Medikamente noch einmal einen regulären Zulassungsprozess in Deutschland durchlaufen. Die Herausgeber des Reports empfehlen auch, dass Pharmaunternehmen das Geld zurückzahlen, das sie im ersten Jahr zu viel verdient haben.

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