Gesundheitspolitik:Belastetes Pflegepersonal

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Kanzlerkandidat Schulz bekommt Zuspruch für seine Forderung nach mehr Geld für Pflegekräfte.

Von Kim Björn Becker, München

Es mangelt in Deutschland an Pflege-Fachkräften wie diese auf Demenzkranke spezialsierte Pflegerin, die sich im Bild um eine Alzheimer-Patienten kümmert. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Wenige Tage vor der Bundestagswahl mehren sich die Forderungen deutscher Politiker, dass die nächste Bundesregierung verstärkt in die Kranken- und Altenpflege investieren soll. Nachdem SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz den Personalmangel in vielen Kliniken und Heimen am Montagabend in der ARD als "Skandal" bezeichnet und für den Fall eines Wahlsiegs umfangreiche Verbesserungen in Aussicht gestellt hatte, forderte die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt am Dienstag ein "Sofortprogramm" für mehr Pflegekräfte. So sollen möglichst schnell 25 000 Pfleger rekrutiert werden, sagte Göring-Eckardt in der ARD. Zudem forderte sie, ähnlich wie Schulz am Abend zuvor, eine bessere Bezahlung für Pflegekräfte. Schulz hatte ein Gehaltsplus von 30 Prozent verlangt. Den Pflegenotstand zu beheben sei "Staatsaufgabe Nummer eins", sagte Schulz.

Die Forderungen fallen zusammen mit dem Beginn bundesweiter Streiks des Pflegepersonals in Kliniken. Den Anfang machten bereits am Montag die Beschäftigten in der Berliner Universitätsklinik Charité. Hintergrund des Streiks, zu dem die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aufgerufen hat, war ein im vergangenen Jahr abgeschlossener Tarifvertrag. Dieser sah unter anderem vor, dass die Charité mehr Personal einstellt und bestimmte Personalschlüssel auf ihren Stationen einhält. Berichten zufolge hat Verdi den Tarifvertrag auslaufen lassen, weil die Berliner Uniklinik die Vereinbarungen unzureichend umgesetzt habe. Der Ärztliche Direktor der Charité, Ulrich Frei, verwies nach Angaben der Deutschen Presseagentur darauf, dass die Klinik in den vergangenen Jahren Personal aufgebaut habe. Auf den Krankenhausstationen fehlten noch 80 Kräfte, auf den Intensivstationen 50. Verdi dringt nun darauf, dass der Tarifvertrag - der wegen seiner Vorgaben zu Personalaufbau und -quoten bundesweit als einzigartig gilt - nachgebessert wird.

Am Dienstag waren dann auch Mitarbeiter in Krankenhäusern in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Berlin aufgerufen, ihre Arbeit niederzulegen. Verdi fordert, dass in den Kliniken eine Mindestpersonalausstattung festgelegt wird. Der ständige Zeitdruck in der Pflege mache die Beschäftigten krank, sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. Bundesweit fehlten 162 000 Stellen in Krankenhäusern, hieß es, bei 70 000 von ihnen handele es sich um Pflege-Fachkräfte. "Die unternehmerische Freiheit endet dort, wo der Gesundheitsschutz der Beschäftigten beginnt", sagte Bühler.

Der SPD-Politiker Karl Lauterbach sagte, seine Partei fordere schon lange Verbesserungen, doch die Union habe "vier Jahre lang passiven Widerstand geleistet". Merkel habe das Thema erst im Wahlkampf entdeckt.

© SZ vom 20.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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