Einigung im Streit mit Iran:Israel hält Atomabkommen für "historischen Fehler"

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu

Israels Benjamin Netanjahu kritisiert das "schlechte Abkommen" mit Iran.

(Foto: dpa)

"Sieg für alle" oder "historischer Fehler"? Die Reaktionen auf das Übergangsabkommen mit Iran fallen unterschiedlich aus. Israel zeigt sich empört. Europa und die USA loben den "Schritt in die richtige Richtung". Iran wertet das Abkommen als Erfolg.

Dass nach jahrelangen Streitigkeiten endlich eine Einigung im Atomstreit mit Iran erzielt werden konnte, bezeichnet auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wie der Rest der Welt als historisch - allerdings als "historischen Fehler".

Es sei ein "schlechtes Abkommen", das dem Iran gebe, was er wolle: "die teilweise Lockerung der Sanktionen und die Beibehaltung eines wesentlichen Teils seines Atomprogramms", kritisiert Netanjahu. Durch die Vereinbarung könne der Iran weiter Uran anreichern, die dafür benötigten Zentrifugen an Ort und Stelle lassen und "spaltbares Material für eine Atomwaffe produzieren", hieß es in der Erklärung weiter. Größter Kritikpunkt: Iran habe sich nicht verpflichtet, den Schwerwasserreaktor in Arak zurückzubauen. Durch "wirtschaftlichen Druck" hätte ein "deutlich besseres Abkommen" erzielt werden können.

Das nun getroffene Abkommen ist nach den Worten von Israels Außenminister Avigdor Lieberman der "größte diplomatische Sieg" des Iran. Teheran habe damit erreicht, dass "sein sogenanntes legitimes Recht zur Urananreicherung" anerkannt worden sei, sagte Lieberman am Sonntag im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der israelische Wirtschaftsminister Naftali Bennett sagte, Israel fühle sich nicht an die Vereinbarung gebunden. Israel sei an dem Genfer Abkommen nicht beteiligt gewesen, sagte der Minister im Armeeradio. "Iran bedroht Israel und Israel hat das Recht, sich zu verteidigen."

US-Außenminister Kerry hatte zuvor gesagt, die Vereinbarung werde "Israel sicherer" machen.

Lob aus Großbritannien, Frankreich und Russland

Ähnlich positiv wie der Amerikaner hat der britische Außenminister William Hague die Übereinkunft mit Iran als "gute Nachricht für die Welt" bezeichnet. "Ein wichtiges und ermutigendes Übereinkommen als erster Schritt mit Iran", schrieb Hague auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. "Das Nuklearprogramm wird in den nächsten sechs Monaten nicht weitergehen, Teile werden zurückgefahren. Diese Vereinbarung zeigt, dass es möglich ist, mit dem Iran zu arbeiten und mit Diplomatie schwierige Probleme zu lösen", betonte der britische Außenminister.

Frankreichs Staatschef François Hollande sprach von einem "wichtigen Schritt in die richtige Richtung". Das erzielte Übergangsabkommen sei eine "Etappe hin zu einem Stopp des militärischen iranischen Atomprogramms", hieß es in einer Erklärung, die der Elysée-Palast in Paris veröffentlichte. Darin äußerte Hollande auch die Hoffnung auf eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Frankreich und dem Iran. Sein Land wolle sich nun weiter dafür einsetzen, auch ein "endgültiges Abkommen" zu erzielen, erklärte Hollande.

Russland spricht derweil von einem "Sieg für alle" Seiten. "Niemand hat verloren", sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow. "Es ist gelungen, eine der größten Aufgaben der Weltpolitik zu lösen." Nun sei eine deutlich bessere Kontrolle des umstrittenen Atomprogramms möglich.

Der Agentur Interfax zufolge hofft Lawrow, dass die Vereinbarung von Genf sich auch positiv auf die Lösung des Syrienkonflikts auswirken werde. Russland will erreichen, dass der Iran bei der geplanten zweiten Genfer Syrien-Friedenskonferenz mit am Verhandlungstisch sitzt.

Iran: "Abkommen nutzt dem Weltfrieden"

Iran selbst sieht das Abkommen ebenfalls als Erfolg. Das geistliche Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei dankte den Unterhändlern für "diesen Erfolg". "Gottes Gnade, die Gebete und die Unterstützung der Bevölkerung" hätten die Einigung ermöglicht.

Das Atomprogramm untersteht der direkten Kontrolle Chameneis. Zuletzt hatte er immer auf dem Recht seines Landes auf ein Atomprogramm beharrt. Vor einer gescheiterten Verhandlungsrunde Anfang November forderte er die iranischen Unterhändler auf, bei den Rechten Irans "nicht einen Schritt" zurückzuweichen.

Präsident Hassan Ruhani schrieb am Sonntag in einem Brief an Chamenei, das nun erzielte Abkommen nütze allen Ländern in der Region "und dem Weltfrieden". Die Weltmächte hätten das Recht des Irans auf ein Atomprogramm und die Unanreicherung "anerkannt", hieß es in dem Brief, aus dem die amtliche Nachrichtenagentur Fars zitierte. In einer Fernsehansprache bekräftigte Ruhani, dass der Iran nie eine Atombombe angestrebt habe.

Die 5+1-Staaten aus den UN-Vetomächten und Deutschland hatten in der Nacht zum Sonntag eine Einigung mit dem Iran erzielt. Nach US-Angaben verpflichtete sich Teheran, die Urananreicherung bei fünf Prozent zu deckeln. Im Gegenzug werden die Sanktionen gegen den Iran gelockert.

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