Gespräch mit Isaf-General Domröse:"Vielleicht ein bisschen naiv"

Generalmajor Hans-Lothar Domröse über den Einsatz der Isaf-Soldaten in Afghanistan und die Probleme im Kampf gegen die Taliban.

Stefan Klein

Generalmajor Hans-Lothar Domröse ist Chef des Stabes der "International Security Assistance Force" (Isaf) in Afghanistan. Er ist damit in der Führung dieser 50000 Soldaten zählenden internationalen Schutztruppe der dritte Mann. Die Deutschen stellen das drittgrößte Kontingent. Domröse ist 55 Jahre alt und stammt aus Hannover.

Isaf-Soldat und afghanische Soldaten; AP

"Vielleicht waren wir zunächst ein bisschen naiv, als wir glaubten, die Aufständischen rasch schlagen zu können": Isaf-General Domröse rechnet mit einem Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan bis mindestens 2013.

(Foto: Foto: AP)

SZ: General Domröse, in Berlin wird man in dieser Woche beschließen, dass das Kontingent der Deutschen im Norden Afghanistans um 1000 Mann aufgestockt wird. Aber man wird sich weiterhin weigern, im umkämpften Süden tätig zu werden. Wie sieht man das hier im Isaf-Hauptquartier? Die hasenfüßigen Deutschen?

Hans-Lothar Domröse: Mir mit meinem schönen Dienstgrad sagt das so keiner. Aber natürlich ist es nicht leicht, eine Koalition von vierzig Nationen zusammenzuhalten, wenn es welche gibt, die überwiegend Brunnen bohren, und andere, die überwiegend kämpfen. Das schafft gewisse Animositäten untereinander.

SZ: Wären denn die Deutschen erwünscht im Süden?

Domröse: Nicht wirklich, denn es sind da schon über 12.000 Mann. 100 oder 200 Mann mehr würden da keinen Unterschied machen. Das ist wie beim Metzger, wenn 1000 Gramm Kasseler auf der Waage liegen. Ob Sie da noch 100 Gramm dazulegen oder nicht, ist nicht entscheidend. Insofern ist es eine Scheindiskussion. Im Übrigen: Der deutsche Beitrag in Kabul und im Norden wird anerkannt, er ist wichtig und trägt zur Stabilisierung bei.

SZ: Insgesamt aber läuft der Krieg schlecht für die Isaf-Truppen. Warum?

Domröse: Mit dem Wort Krieg möchte ich vorsichtig sein. Für mich ist es mehr ein fight, ein Kampf. Sie sagen, es läuft nicht gut. Dem kann ich nicht völlig widersprechen.

SZ: Wieso läuft es nicht gut?

Domröse: Die Annahme, dass man die Aufständischen auf konventionelle Weise leicht schlagen könne, war falsch. Wir haben es mit einer asymmetrischen Auseinandersetzung zu tun, die alte Mathematik gilt hier nicht.

SZ: Aber das ist doch keine neue Erkenntnis, das wusste man doch vorher schon. Hat man die Probleme unterschätzt?

Domröse: Vielleicht waren wir, die internationale Gemeinschaft, zunächst ein bisschen naiv.

SZ: Auch ein bisschen zu optimistisch?

Domröse: Vielleicht auch das.

SZ: Das Bild ist verheerend: Auf der einen Seite eine Art Lumpenguerilla, auf der anderen die mächtigsten Armeen des Westens, die aber anscheinend nicht in der Lage sind, diese Guerillatruppe in den Griff zu bekommen.

Domröse: Da stimme ich Ihnen ja zu. Das Problem ist die Grenze mit Pakistan, 2500 Kilometer lang und nicht beherrschbar. Jenseits dieser Grenze und außerhalb unseres Mandats befinden sich Ausbildungslager ...

SZ: ... und die dort im Terror- und Guerillakampf Ausgebildeten sickern über die Grenze nach Afghanistan ein.

Domröse: Sie sickern ein und ziehen sich dorthin zurück. Solange diese Sanktuarien auf pakistanischer Seite bestehen, tun wir uns hier natürlich schwer.

Auf der nächsten Seite: Was Hans-Lothar Domröse von der afghanischen Armee hält und ob für die Konfliktlösung in Afghanistan mehr Isaf-Soldaten notwendig sind.

"Vielleicht ein bisschen naiv"

SZ: Kann der Krieg in Afghanistan überhaupt gewonnen werden, solange er von der anderen Seite der Grenze her geführt wird?

Domröse: Ich glaube nicht.

SZ: Der afghanische Präsident Karsai sagt, statt afghanische Dörfer zu bombardieren solle der Krieg auf der anderen Seite der Grenze geführt werden. Hat er nicht recht?

Domröse: Er hat nicht unrecht, und trotzdem: So ist es mir zu einfach. Im nächsten Jahr sind Präsidentschaftswahlen in Afghanistan, wir befinden uns in einer Art Vorwahlkampf, und da versucht die Regierung natürlich, von eigenen Schwächen abzulenken.

SZ: Welche Schwächen meinen Sie?

Domröse: Hier sind ja Milliardenbeträge reingeflossen, und wenn Sie es damit nicht schaffen, Leute in Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung in Gang zu bringen, dann hat die Regierung ihre Hausaufgaben nicht gemacht.

SZ: Fehler macht aber auch Isaf. Die vielen zivilen Toten kosten Sie zusehends Rückhalt in der Bevölkerung.

Domröse: Die mit Abstand meisten zivilen Opfer, die zu beklagen sind, verursachen die Aufständischen. Aber ich will mich nicht drücken: Jeder Zivilist, der umkommt, ist einer zu viel. Wir zielen nicht auf Zivilisten. Wir bedauern, dass es vorkommt, aber wir können es auch nicht ausschließen, weil die Auseinandersetzung im zivilen Umfeld stattfindet.

SZ: Die Zahlen von zivilen Opfern sind aber sehr hoch, und sie werden nicht weniger.

Domröse: Es ist unendlich schwierig, denn die Aufständischen greifen uns an und benutzen dabei die Zivilbevölkerung als Schutzschild.

SZ: Braucht Isaf mehr Soldaten, um letztlich doch noch erfolgreich zu sein?

Domröse: Nicht zwingend. Was wir brauchen, sind mehr zivile Aufbauprogramme, damit wir vorankommen. Aber es gibt auch Regionen, die so umkämpft sind, dass sie da mehr militärische Kräfte brauchen.

SZ: Die neue afghanische Armee besteht jetzt aus 60.000 Soldaten. Taugen die was?

Domröse: Ja. Die Armee hat schon ein gewisses Ansehen, und kämpfen kann sie auch. Von daher sage ich: Das ist eine ordentliche Truppe.

SZ: Wann wäre denn diese Truppe in der Lage, allein und ohne ausländische Hilfe klarzukommen?

Domröse: Etwa ab dem Jahr 2013, wenn sie ihre volle Stärke von 122.000 Mann erreicht hat. Dann könnte man überlegen, ob man die Isaf-Truppen reduziert.

SZ: Es heißt aber doch immer, dass der Westen auf Jahrzehnte in Afghanistan engagiert bleiben müsste.

Domröse: Man kann es nicht ausschließen. Aber trotzdem denke ich, dass die afghanischen Sicherheitskräfte, also Polizei und Armee, 2013 eigentlich in der Lage sein müssten, ihre Operationen weitestgehend selbst zu führen.

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