Gespräch mit IS-Rückkehrer:Zurück von der Reise in den Wahnsinn

Ebrahim B.

Ebrahim B. spricht mit SZ und NDR über seine Zeit im Islamischen Staat.

(Foto: NDR)

Ebrahim B. war drei Monate beim IS. Nach seiner Verhaftung in Deutschland haben wir ein Interview mit ihm bekommen - unter strengen Auflagen.

Von Georg Mascolo

Es ist Freitagnachmittag der vergangenen Woche in einem Gefängnis in Niedersachsen, der genaue Ort darf nicht genannt werden. Aus Sicherheitsgründen, sagen die Behörden. Hier soll nun zum ersten Mal einer offen und öffentlich berichten, der den Islamischen Staat (IS) erlebt hat. Seine Grausamkeit, Gewalttätigkeit, Gottlosigkeit. Ebrahim B., 26 Jahre alt, ist einer der bis heute etwa 260 sogenannten Rückkehrer, die sich in Syrien oder dem Irak der Terrormiliz angeschlossen haben.

Bis hierher war es ein langer Weg für Ebrahim B. Und für uns Journalisten. Ebrahim B. stammt aus Wolfsburg, mindestens 20 junge Männer haben sich von dort in den vergangenen Jahren auf den Weg ins Kriegsgebiet gemacht. Ebrahim B. ist gelernter Massagetherapeut und war im vergangenen Sommer für drei Monate beim IS. Er war für ein Selbstmordattentat in Bagdad vorgesehen. So jedenfalls steht es in der Anklage des Generalbundesanwaltes, im kommenden Monat soll der Prozess gegen Ebrahim B. und einen seiner Wolfsburger Freunde vor dem Oberlandesgericht in Celle beginnen.

Politiker warten sehnsüchtig darauf, dass einer redet

Ebrahim B. wurde im vergangenen Herbst verhaftet, kurz darauf begann er umfangreich auszusagen. Er bot den Behörden seine Kooperation an. Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR berichteten über die Wolfsburger Szene, hörten von seinen Aussagen. Ein Gedanke entstand: Würde man mit Ebrahim B. über seine Erfahrungen sprechen können?

Terrorismus-Experten und Politiker warten sehnsüchtig darauf, dass einer der Rückkehrer endlich redet. Denn nicht alle von ihnen gelten als gefährlich, manche sollen nach ihren Erfahrungen auch erschrocken und desillusioniert sein. "Am wichtigsten wäre, dass Aussteiger berichten von ihren Erfahrungen," sagte Thomas de Maizière gerade am Rande der Innenministerkonferenz.

Ist Ebrahim B. dieser Mann?

Er berät sich mit seinen Anwälten, schließlich stimmt er zu. Vermutlich auch, weil er damit auf eine mildere Strafe hofft. Ein Besuchsantrag wird gestellt. Der Generalbundesanwalt zögert zunächst, die Richter am Oberlandesgericht in Celle haben Fragen. Ein Interview vor dem Prozess? Das ist ungewöhnlich. Wir tragen unsere Argumente vor, es gehe nicht um Schuld oder Unschuld von Ebrahim B., sondern um seine Erlebnisse im Islamischen Staat. Die Diskussionen ziehen sich hin, aus Wochen werden Monate. Gericht und Generalbundesanwalt lassen sich überzeugen. Schließlich werden großzügige vier Stunden für den Besuch genehmigt.

Jedes Wort von Ebrahim B. kann vor Gericht verwendet werden

Die Bedingungen werden schriftlich festgelegt. Kein Wort auf Arabisch. Das Interview muss vom Landeskriminalamt überwacht und aufgezeichnet werden, jedes Wort, das Ebrahim B. sagt, kann auch vor Gericht verwendet werden. Er darf keine Namen von Zeugen oder anderen Beschuldigten nennen. Und wenn er sich - wider Erwarten - auf einmal "wörtlich oder durch Gesten werbend für den IS" äußert, ist Schluss.

In der Haftanstalt bleibt es am vergangenen Freitag trotz aller Vorbereitung zunächst schwierig. Unter Terrorismus-Verdacht stehende Häftlinge dürfen selbst mit ihren Anwälten nur durch eine Trennscheibe sprechen, das ist seit den Zeiten der RAF so. Aber durch eine Trennscheibe kann man nicht filmen. Also werden in dem Besucherraum, in dem das Interview stattfinden soll, Tische zusammengeschoben. Die Journalisten und Ebrahim B. sitzen so weit voneinander entfernt, dass sie sich nicht berühren können. Ein Handschlag zur Begrüßung wird verboten.

Gespräch mit IS-Rückkehrer: Georg Mascolo und NDR-Kollegin Britta von der Heide.

Georg Mascolo und NDR-Kollegin Britta von der Heide.

(Foto: NDR)

Dann endlich sitzt Ebrahim B. im Besucherraum der Haftanstalt meiner NDR-Kollegin Britta von der Heide und mir gegenüber und beginnt zu sprechen. Manche Fragen beantwortet er, in schlechtem Deutsch, freimütig und ohne zu zögern. Manches, so sagt er, will er erst in der Hauptverhandlung berichten. Er will sich nicht belasten.

Am Ende des Interviews aber darf man hoffen: Ebrahim B. ist zurück von seiner Reise in den Wahnsinn.

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