Gesinnungstest für Erzieher:Keine Nazis im Kindergarten

In Mecklenburg-Vorpommern versuchen Rechtsradikale, Kitas klammer Kommunen zu unterwandern. Die Landesregierung will Extremisten nun per Erlass aus den Einrichtungen fernhalten.

Jens Schneider

Die kleine Gemeinde Bartow bei Demmin im Nordosten Mecklenburg-Vorpommerns stand vor einem Dilemma. Gern wollte der Gemeinderat seinen Kindergarten erhalten, aber das kostete das Dorf jedes Jahr 15.000 Euro, das konnte der Ort sich nicht mehr leisten. Zunächst hoffte der Rat, dass ein freier Träger einspringt. Doch gegen den Bewerber gab es Widerstand im Ort, so erinnert sich der ehrenamtliche Bürgermeister Dieter Karstädt.

Leipzig will zweites kostenfreies Kita-Jahr einfuehren

Das Land Mecklenburg-Vorpommern wehrt sich gegen Versuche von Rechten, Kindertagesstätten zu unterwandern. Archivbild: eine Kita in Leipzig.

(Foto: dapd)

Der Widerstand sei vor allem von einem Mann gekommen, der dann selbst anbot, den Kindergarten zu übernehmen. "Über den hörte ich, dass der oft in Schwerin bei den Rechten ist", erinnert sich Karstädt. Direkt habe er den siebenfachen Vater, der neu im Ort war, gefragt, ob er Sympathisant ist oder Mitglied. Der Mann habe sich als Mitglied der NPD zu erkennen gegeben. "Da waren wir uns alle einig: mit denen nicht", sagt Karstädt. Der Rat lehnte ab, "zu Weihnachten hätten wir vielleicht sonst gehört: So sozial ist die NPD."

Lange schon gibt es im Nordosten Argwohn, dass die NPD versucht, in Jugendklubs oder Kindergärten klammer Kommunen an Einfluss zu gewinnen. Es heißt, dass es bereits einen Aufruf aus der rechtsextremen Szene an Frauen und Mädchen gegeben habe, sich als Kita-Erzieherinnen ausbilden zu lassen. Im Februar sorgte die Geschichte aus Bartow für Aufsehen. Die NPD spricht auf ihrer Website von einer "mutigen Initiative eines siebenfachen Familienvaters".

Jetzt hat Sozialministerin Manuela Schwesig (SPD) mit einem Kita-Erlass reagiert. Der Erlass soll verhindern, dass private Kindergärten in die Hände von Rechtsextremen fallen. Er ist bisher einzigartig, könnte aber bundesweit Schule machen.

"Todfeinde der Freiheit"

Dafür spricht sich etwa der Zentralrat der Juden in Deutschland aus. Die Initiative Mecklenburg-Vorpommerns sei "ein starkes Beispiel für einen kämpferischen demokratischen Staat, der sich wehren will und der den Todfeinden der Freiheit keinesfalls unsere Kinder überlassen darf", sagte der Vizepräsident des Zentralrats, Dieter Graumann.

In Mecklenburg-Vorpommern müssen ab August Träger von Einrichtungen nachweisen, dass sie und die Mitarbeiter auf dem Boden der Verfassung stehen. "Wer sich nicht zweifelsfrei zum Grundgesetz bekennt, der darf keine Kita übernehmen", so Schwesig. Der Erlass gilt zunächst für alle Neuanträge. Anerkannte Träger, etwa Mitglieder der Wohlfahrtsverbände, müssen eine Selbsterklärung abgeben, wonach sie Sorge dafür tragen, dass die Erzieherinnen auf dem Boden der Verfassung stehen. Bei freien Trägern sollen die Mitarbeiter selbst Erklärungen abgeben. Ähnlichen Regeln folgen im Land bereits Sportvereine und freiwillige Feuerwehren.

In Bartow ist Bürgermeister Karstädt unterdes zuversichtlich, dass er schon bald mit Hilfe der Eltern den Kindergarten weiterbetreiben kann, ohne Hilfe von rechts außen. 17 Kinder, sagt er, seien bereits angemeldet.

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