Gesine Schwan und die DDR:Das U-Wort

20 Jahre nach dem Fall der Mauer streitet Deutschlands politische Klasse nicht über das Wesen eines Staates, sondern die Wahl eines Wortes.

Daniel Brössler

Gesine Schwan möchte nicht sagen, dass die DDR ein "Unrechtsstaat" war. Marianne Birthler findet, dass das eigentlich jeder sagen muss, vor allem die Politiker der Linkspartei. Und Matthias Platzeck beklagt, die Ostdeutschen seien von dem Palaver schon ganz kirre. Das sind, kurz zusammengefasst, die Debattenbeiträge des Wochenendes zum Thema "Unrechtsstaat DDR".

Präsidentschaftskandidatin, Stasi-Unterlagenbeauftragte und Brandenburgs Ministerpräsident haben eine Diskussion fortgesetzt, die nirgendwo mehr hinführt. Im Jahre 20 nach dem Fall der Mauer streitet Deutschlands politische Klasse nicht über das Wesen eines Staates, sondern über die Wahl eines Wortes.

Das ist schade. Zwei Jahrzehnte nach seinem wohlverdienten Untergang wird das SED-Regime von vielen verharmlost, von manchen gar verherrlicht. Bei Schülern in Ost wie West klaffen gigantische Wissenslücken.

Klarstellung tut also Not. Und wenn es nur ein Wort sein soll, dann bitte dieses: Diktatur. Die SED-Herrschaft fußte auf Unterdrückung, Spitzelei und Entrechtung Andersdenkender. Um dies darzustellen, bedarf es der Vokabel "Unrechtsstaat" nicht.

Als Chiffre für die totale Ablehnung der DDR ist sie zum Kampfbegriff geworden. Das U-Wort wird verdammt zum Zwecke der Anbiederung an ostalgische Befindlichkeit. Und es wird andererseits eingefordert, um den politischen Gegner in eine anrüchige Ecke zu stellen.

Gesine Schwan verweigert sich dem platten Gewissens-TÜV. Das könnte mit ihrer Absicht zu tun haben, sich auch von der Linkspartei zur Bundespräsidentin wählen zu lassen. Den Tatbestand der DDR-Verherrlichung erfüllt das noch nicht.

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