Gesetzliche Zusatzversicherungen:Chefarzt-Behandlung für alle

"Auch das Sahnehäubchen anbieten": Der Chef der AOK Rheinland/Hamburg, Wilfried Jacobs, verteidigt gesetzliche Zusatzversicherungen für Kassenpatienten. Die will er sich von der schwarz-gelben Koalition nicht nehmen lassen.

Guido Bohsem

Für Wilfried Jacobs ist die Sache ziemlich einfach: Wer mehr Wettbewerb im Gesundheitssystem will, muss den gesetzlichen Krankenkassen auch den Spielraum dafür lassen. Und zum Wettbewerb, so zeigt sich der Chef der AOK Rheinland/Hamburg im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung überzeugt, gehört auch die Konkurrenz zur privaten Krankenversicherung (PKV).

Völlig unverständlich sei es deshalb, dass die schwarz-gelbe Koalition den Kassen die seit 2007 bestehende Möglichkeit wieder nehmen möchte, ihren Mitgliedern Chefarztbehandlung anzubieten, Auslandskrankenversicherungen oder einen Zweibett-Tarif in der Klinik.

"Bei uns gib es alles aus einer Hand", sagt Jacobs. Bisher hat seine AOK etwa 200.000 Verträge über Zusatzversicherungen abgeschlossen. Sie ist die einzige gesetzliche Kasse in Deutschland, die diese Leistung eigenständig und in diesem Ausmaß anbietet. "Die Menschen wollen das", sagt Jacobs. Wer mit den Leistungen der AOK zufrieden sei, schließe bei ihr auch gerne eine Zusatzversicherung ab. "Ich serviere einen guten Kaffee. Da will ich doch auch das Sahnehäubchen anbieten."

Jacobs argumentiert, die Gesundheitsreform der großen Koalition habe die Zusatzverträge möglich gemacht. Zudem habe die Aufsicht der AOK Rheinland/Hamburg das Vorhaben genehmigt. Zuständig sei der damalige nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) gewesen. Ähnliche Genehmigungen gebe es in fünf weiteren Ländern, in denen die Union regiere. "Politiker der Union haben die Zusatzversicherungen beschlossen, und ein CDU-Politiker habe sie genehmigt. Nur weil die privaten Kassen aufschreien, will die CDU es rückgängig machen. Das verstehe ich nicht", sagt Jacobs.

Gegner der Zusatzverträge sehen das anders. Die große Koalition habe nie beabsichtigt, der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) diese Möglichkeit einzuräumen, schreiben die Gesundheitsexperten der Unions-Bundestagsfraktion in einem Positionspapier. Chefarztbehandlung und Auslandskrankenversicherungen zählten nicht zum Aufgabengebiet der GKV, sondern seien ein typisches Geschäft der privaten Anbieter. Machten aber die AOK und andere gesetzliche Kassen solche Angebote, komme es zu einer Wettbewerbsverzerrung: So müsse die PKV auf ihr Geschäft Steuern zahlen, die GKV nicht. Die privaten würden von der strengen Finanzbehörde Bafin kontrolliert, die gesetzlichen nur vom Bundesversicherungsamt oder den Landesbehörden. Zudem müsse die PKV Rückstellungen bilden.

Für Jacobs zählen diese Argumente wenig. "Das ist mir zu abgehoben." Wichtiger sei doch, dass die Versicherten durch das Angebot der GKV viele Vorteile hätten. Weil auch die Zusatzversicherungen solidarisch gestaltet seien, gebe es zum Beispiel keine Gesundheitsprüfung, wie sie bei der PKV vor Abschluss eines Vertrags üblich sei. Deshalb könnten sich auch ältere und kranke Menschen eine Zusatzversicherung leisten. "Müssten die zu einem privaten Anbieter, würde es für sie viel zu teuer." Falls Union und FDP an ihren Plänen festhielten, müsse man neue Wege gehen. "Dann sollte die GKV überlegen, ob sie nicht selbst eine private Krankenversicherung gründen möchte. Diese könnte dann aber so solidarisch ausgestaltet sein wie die gesetzliche Krankenversicherung."

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