Gesetzesbeschlüsse:Bundesrat billigt Neonazi-Datei und schärferes Jugendstrafrecht

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Eine Neonazi-Datei soll künftig Ermittlungspannen wie bei der Mordserie der Zwickauer Zelle verhindern. Außerdem billigte der Bundesrat das Gesetz, das einen bis zu vier Wochen dauernden Warnschussarrest für jugendliche Straftäter vorsieht.

Als Reaktion auf die Morde von Rechtsterroristen sollen Daten "gewaltbezogener Rechtsextremisten" künftig in einer sogenannten Neonazi-Datei bundesweit erfasst werden. Gleiches gilt für ihre Hintermänner und Drahtzieher. Der Bundesrat ließ das zuvor bereits vom Bundestag gebilligte Gesetz ohne Anrufung des Vermittlungsausschusses passieren.

Vorbild ist die Anti-Terror-Datei, in der Polizeien und Nachrichtendienste schon seit Jahren ihre Erkenntnisse über mutmaßlich gefährliche Islamisten verknüpfen. Die Neonazi-Datei soll von Polizeien und Verfassungsschutzämtern in Bund und Ländern mit Informationen über gewaltbereite Rechtsextremisten und deren Kontaktpersonen gefüttert werden.

Nach Einschätzung des scheidenden Verfassungsschutz-Chefs Heinz Fromm dürfte die Datei einmal etwa 10.000 Namen umfassen. Allein in Deutschland leben nach Erkenntnissen des Dienstes 9500 gewaltbereite Rechtsextremisten, in die Datensammlung sollen aber auch Ausländer aufgenommen werden. Anders als bei der Islamistendatei sollen die Ermittler die Möglichkeit zu einer verknüpften Recherche im Datenbestand erhalten. Das heißt, sie können sich beispielsweise die rechtsextreme Musikszene in einer Region genauer anschauen oder Rechtsextremisten mit Waffenkenntnissen abfragen.

Angelegt ist die Datensammlung als Index- und nicht als Volltext-Datei, um das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten nicht zu verletzen. Polizeibehörden, Verfassungsschutzämter und Militärischer Abschirmdienst (MAD) haben in der Neonazi-Datei sofort Zugriff auf Grunddaten wie Name, Geburtsdatum und Anschrift. Auf weitere Informationen wie Telefonanschlüsse, Bankverbindungen, Haftbefehle oder Angaben zum Waffenbesitz sollen die Ermittler erst nach einem entsprechenden Antrag zugreifen können. Nach Einschätzung von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ermöglicht die Datei die systematische Aufarbeitung von Informationen und schließt subjektive Ermessensspielräume aus.

Gleichwohl machten die Länder in einer Entschließung deutlich, dass sie noch mehr Rechte für die Behörden bei Bekämpfung des Rechtsradikalismus wünschen. Unter anderem wollen sie bei der Ausgabe von Waffenscheinen auch direkte Anfragen beim Verfassungsschutz stellen können.

Warnschussarrest für Jugendliche wird eingeführt

Die von SPD und Grünen geführten Bundesländer scheiterten mit ihrem Versuch, Verschärfungen im Jugendstrafrecht abzuwenden: Jugendliche können neben einer zur Bewährung ausgesetzten Strafe künftig für mehrere Wochen in einen sogenannten Warnschussarrest genommen werden. Ein unter anderem von Nordrhein-Westfalen unterstützter Antrag zur Anrufung des Vermittlungsausschusses, mit dem die Neuregelung gestoppt werden soll, fand in der Länderkammer keine Mehrheit.

Durch den Warnschussarrest sollen dem Jugendlichen seine Verantwortung für das begangene Unrecht und die Folgen weiterer Straftaten verdeutlicht werden. Der hessische Bundesratsminister Michael Boddenberg (CDU) sagte, junge Straftäter könnten oft die Tragweite ihrer Tat nicht verstehen und empfänden eine Bewährungsstrafe als Freispruch. Während des Warnschussarrests sollten die Jugendlichen nicht nur verwahrt, sondern sozialpädagogisch betreut werden.

Bei besonders schweren Mordverbrechen kann künftig zudem auch für Heranwachsende eine Höchststrafe von 15 Jahren verhängt werden. Bislang liegt das Höchstmaß bei zehn Jahren. Dies war jedoch als unzureichend kritisiert worden.

Der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) kritisierte, in vier Wochen Warnschussarrest könne eine langjährige negative Persönlichkeitsentwicklung nicht umgekehrt werden. Um Verantwortungsbewusstsein zu fördern, sei ein stimmiges, dauerhaftes Bewährungskonzept erforderlich. Arrest sei dagegen ein Störfaktor. Auch bei Fachleuten ist der Warnschussarrest umstritten, da in den Gefängnissen wenig erzieherische Angebote existieren und viele Anstalten überfüllt sind.

© Süddeutsche.de/dpa/Reuters/fran - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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