Gesetz gescheitert:Gefangen in der Teilzeitfalle

"Bruch des Koalitionsvertrags" - Arbeitsministerin Nahles wirft der Kanzlerin vor, ein Gesetz verhindert zu haben, das Beschäftigten nach einer Auszeit die Rückkehr in die Vollzeitarbeit ermöglichen sollte.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Familie

Viel Familienzeit ist nicht immer freiwillig: Ein Drittel der mehr als 15 Millionen Teilzeit-Arbeitnehmer würde gerne mehr arbeiten.

(Foto: Patrick Seeger/dpa)

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht ein klares Bekenntnis. Wir werden, heißt es darin, "einen Anspruch auf befristete Teilzeitarbeit schaffen". Arbeitnehmer, die sich zum Beispiel wegen der Erziehung ihrer Kinder oder der Pflege von Angehörigen zu einer zeitlich befristeten Teilzeitbeschäftigung entschieden haben, sollen "wieder zur früheren Arbeitszeit zurückkehren können". Doch nun ist endgültig klar: Daraus wird nichts mehr. Verärgert ist deshalb besonders Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Und einen Schuldigen hat sie auch schon gefunden: Kanzlerin Angela Merkel.

"Verwässern und verzögern" sei die Strategie von Arbeitgebern und Union gewesen, sagt Nahles

Mit Attacken auf die Kanzlerin hält sich Nahles normalerweise zurück. Am Dienstag war damit Schluss. "Das Rückkehrrecht aus Teilzeit ist auf Druck der Arbeitgeber am Kanzleramt gescheitert", sagte die SPD-Politikerin. Das Kanzleramt habe mitgeteilt, dass das Thema nicht mehr auf die Tagesordnung des Kabinetts kommt. Für Nahles ist das enttäuschend. "Frau Merkel verhindert damit das Gesetz, das für Hunderttausende Frauen den Weg aus der Teilzeitfalle bereitet hätte."

Nahles hatte ihren Gesetzentwurf im November 2016 vorgelegt. Danach sollten Arbeitnehmer, die vorübergehend ihre Arbeitszeit verringern wollen, zur ursprünglichen Arbeitszeit zurückkehren können. Den Anspruch sollte es geben, wenn das Arbeitsverhältnis mehr als sechs Monate bestanden hatte und die Beschäftigten die begrenzte Teilzeit mindestens drei Monate vorher beantragt haben. Außerdem sollte das Gesetz nur in Unternehmen mit mindestens 15 Mitarbeitern gelten. Der Union und der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), die von einer "Bürokratiefalle" sprachen, ging dies aber zu weit. Sie pochten darauf, das Gesetz auf Betriebe mit mindestens 200 Beschäftigten zu begrenzen.

Ein BDA-Sprecher sagte: "Flexibilität bei der Arbeitszeit ist nur mit, nicht gegen die Betriebe zu organisieren." Der Verband hatte eingewandt: Die Arbeit von denen, die befristet ausfallen, müsse ja trotzdem erledigt werden. Auch sei es schwierig, einen plötzlichen Rückkehrer zu beschäftigen, wenn es nicht mehr Aufträge gebe.

Nahles verhandelte nach eigenen Angaben "auf Wunsch des Kanzleramtes" mehrmals mit der Arbeitgeberseite und den Gewerkschaften über das Gesetz. Die Strategie von Union und Arbeitgebern sei jedoch "verwässern und verzögern" gewesen. Am Ende sei klar geworden, "dass Union und Arbeitgeber das Gesetz nicht wollen", sagte die Ministerin. Bei einer Schwelle von mindestens 200 Mitarbeitern hätte nach Berechnungen des Arbeitsministeriums das Gesetz für mindestens drei Millionen Teilzeitbeschäftigte, die in kleineren Unternehmen arbeiten, nicht gegolten. Dazu sagte Nahles: "Ein Gesetz, das nur für knapp die Hälfte der potenziellen Nutznießer überhaupt gilt, ist ein reines Placebo. Da mach' ich nicht mit." Sie sprach von einem "Bruch des Koalitionsvertrages".

Die Zahl der Teilzeitjobs ist zuletzt deutlich gestiegen. 1996 waren noch 8,3 Millionen Arbeitnehmer in Teilzeit beschäftigt. 2016 waren es bereits 15,3 Millionen, die allermeisten sind Frauen. Umfragen zeigen, dass etwa ein Drittel der Teilzeit-Arbeitnehmer gern mehr arbeiten würde und ein Viertel nur deshalb in Teilzeit ist, weil ihnen keine Vollzeitstelle angeboten wird.

Bei den Gewerkschaften ist der Ärger deshalb groß: "Statt vor allem Millionen Frauen die Möglichkeit zu eröffnen, Familie und Beruf endlich sinnvoll zu verbinden, beharren die konservativen Kräfte auf Stillstand", sagte der DGB-Chef Reiner Hoffmann.

Brigitte Pothmer, Sprecherin für Arbeitsmarktpolitik bei den Grünen sagte: "Die meisten Männer werden weiter von Teilzeitarbeit Abstand nehmen. Die Koalition hat die Gelegenheit verspielt, bessere Rahmenbedingungen für Paare zu schaffen, die Arbeit und Familie partnerschaftlich organisieren wollen."

Nahles gibt aber nicht auf. Sie will mit der SPD im Wahlkampf für das Recht auf befristete Teilzeit werben.

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