Geschichte von Korea:Wie sich der Korea-Konflikt blutig entzündete

Smoke rises over Hungnam's port area, as facilties and remaining U.N. supplies are demolished by explosives on the final day of evacuation operations

Explosion der Hafenanlagen von Hungnam an Heiligabend 1951. Zuvor hatten US-geführte Truppen die nordkoreanische Hafenstadt geräumt.

(Foto: Reuters)
  • Seit beinahe 125 Jahren ist Korea einer der gefährlichsten Konflikte der Welt.
  • 1948 gründete Kim Il-sung, der Großvater des heutigen Staatschefs im Norden mit sowjetischer Hilfe die Demokratische Volksrepublik Korea.
  • Nach einem Angriff Nordkoreas auf Südkorea kam es 1950 zum Koreakrieg, in den die USA auf Seiten des Südens und China auf Seiten des Nordens eingriffen.
  • Die amerikanische Luftwaffe warf in diesem Krieg mehr Bomben über Nordkorea ab als während des gesamten Zweiten Weltkriegs im pazifischen Kriegsschauplatz der Jahre 1941 bis 1945.

Von Gregor Schöllgen

"Gnadenlose Vergeltung und schonungslose Bestrafung" hat Nordkoreas Militär zuletzt seinen Feinden angedroht, vor allem Südkorea und den USA. Die brachiale Rhetorik erinnert einmal mehr daran: Zweimal schon wurde dort ein Krieg geführt; zum zweiten Mal ist sogar ein Einsatz von Nuklearwaffen im Gespräch. Seit beinahe 125 Jahren zählt Korea zu den Brennpunkten der Weltpolitik.

Den Anfang machte im Juni 1894 der Angriff Japans auf das zwischen ihm und China umstrittene Land, dem am 1. August die Kriegserklärung an China folgte. Das war zugleich der Beginn von Japans großräumig angelegter ostasiatisch-pazifischer Expansion, die erst mit der Kapitulation 1945 endete.

Schon in den Neunzigerjahren des 19. Jahrhunderts waren sämtliche Akteure, die auch im aktuellen Konflikt eine maßgebliche Rolle spielen, mittelbar oder unmittelbar involviert: neben Japan, China und Korea auch Russland und die USA. Ein beunruhigendes Szenario.

Die Russen sahen in Japans Krieg gegen China, der 1894 schnell zu einem durchschlagenden Erfolg führte, nicht nur ihre Interessen im Reich der Mitte, namentlich in der Mandschurei, sondern ganz unmittelbar auch ihren strategisch wichtigen Hafen von Wladiwostok bedroht. Daher zwangen sie die Japaner Anfang Mai 1895 im Schulterschluss mit Frankreich und dem Deutschen Reich zur Rückgabe eines Teils ihrer Kriegsbeute.

Die wiederum warteten fortan auf ihre Chance zur Revision, griffen Russland im Februar 1904 an und schlugen das Zarenreich zu Lande und zur See vernichtend. In dem am 5. September 1905 geschlossenen Frieden ließ sich Japan unter anderem seine Hegemonie über Korea bestätigen.

Vermittelt hatte den Frieden US-Präsident Theodore Roosevelt, unterzeichnet wurde er in Portsmouth, New Hampshire. Das war natürlich kein Zufall. In Washington hatte man den rasanten Expansionskurs der Japaner mit Sorge verfolgt, zumal sich in seinem Windschatten auch die europäischen Großmächte in China festgesetzt hatten - wenn auch nicht mit Gewalt, sondern mithilfe von Pachtverträgen.

1899 reagierte Washington und klagte in Tokio und Europas Hauptstädten das Prinzip der "offenen Tür" für alle in China Handel treibenden Staaten ein. Das war der Beginn der amerikanischen China-Diplomatie. Vor allem aber zeigte sich namentlich Roosevelt im Frühjahr 1905 überzeugt, dass die Japaner über kurz oder lang auch in der Lage sein könnten, den USA die Philippinen und Hawaii streitig zu machen, die sie gerade erst besetzt hatten.

Der Präsident hielt die Lage für so brisant, dass er als Konzession Japan Ende Juli 1905, also noch vor Unterzeichnung des russisch-japanischen Friedens, in einem Geheimabkommen die militärische und politische Kontrolle über Korea zugestand. Im August 1910 wurde das Land endgültig durch Japan annektiert.

Dabei blieb es bis zur japanischen Kapitulation, die im September 1945 den ostasiatisch-pazifischen Krieg und damit den Zweiten Weltkrieg insgesamt beendete. Allerdings wurde Korea von den Alliierten danach nicht an China zurückgegeben, sondern entlang des 38. Breitengrades geteilt und im Norden durch die Sowjets, im Süden durch die Amerikaner besetzt. Wie wenig später in Deutschland mündete die Entwicklung im Sommer 1948 auch hier in die Gründung zweier Teilstaaten entlang der Demarkationslinie.

Erster Krieg mit Ermächtigung des UN-Sicherheitsrats

Am 9. September 1948 wurde im Norden mit sowjetischer Hilfe die Demokratische Volksrepublik Korea proklamiert und Kim Il-sung, der Großvater des heutigen Staatschefs Kim Jong-un, als Ministerpräsident installiert.

Nicht einmal ein Jahr danach, am 25. Juni 1950, fielen seine Truppen in den Süden ein; drei Tage später nahmen sie Seoul, die Hauptstadt Südkoreas, ein. Die USA, die wie auch die Sowjetunion ihre Truppen inzwischen weitgehend aus Korea abgezogen hatten, reagierten umgehend.

Am 7. Juli 1950 richtete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ein Gemeinsames Oberkommando unter Führung der Vereinigten Staaten ein. Der Beschluss kam zustande, weil die Sowjets dieses Gremium seit Januar 1950 boykottierten. Damit reagierten sie auf den Umstand, dass die am Ende des chinesischen Bürgerkrieges nach Taiwan ausgewichene Republik China den Ständigen Sitz dieses Landes einnahm - und nicht die am 1. Oktober 1949 durch Mao Zedong proklamierte kommunistische Volksrepublik.

Das Ergebnis der Entscheidung im Sicherheitsrat war der erste und bis zum Krieg gegen den Irak im Januar 1991 zugleich letzte große Krieg, der mit Ermächtigung der Vereinten Nationen geführt worden ist. Neben den USA und Südkorea beteiligten sich 15 weitere Mitglieder der UN, darunter auch eine Reihe europäischer Staaten, an den Kampfhandlungen.

Westlichen Beobachtern galt es als ausgemacht, dass die Sowjetunion und die Volksrepublik China hinter dem Überfall Nordkoreas steckten, wenn man auch in Washington nicht ernsthaft mit einem militärischen Eingreifen des einen oder des anderen rechnete.

Tatsächlich kam ein direktes Engagement der Sowjetunion angesichts der unabsehbaren Folgen für Josef Stalin, den immer noch starken Mann im Kreml, nicht infrage. Eine chinesische Intervention billigte er, falls sich eine Niederlage Nordkoreas nicht anders abwenden ließ.

US-Oberkommandierender fordert einen Atomschlag - der Präsident lehnt ab

Das Eingreifen der USA und ihrer Verbündeten in den Koreakrieg, vor allem aber ihr anschließender Vormarsch nach Norden waren für Peking das entscheidende Signal.

Nachdem amerikanische und verbündete Truppen die nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang eingenommen und schließlich sogar an einem Punkt den koreanisch-chinesischen Grenzfluss erreicht hatten, gingen am 26. November 1950 fast eine Viertelmillion Chinesen zum Gegenangriff über. Auf dem Höhepunkt des Einsatzes kämpften bis zu fünf Mal so viele Soldaten der Volksrepublik, offiziell als "Freiwillige", auf Seiten Nordkoreas.

Als am 24. Oktober 1950 in Peking der Entschluss zum Krieg gegen die Vereinigten Staaten fiel, brachte Zhou Enlai, Ministerpräsident und Außenminister der Volksrepublik China, vor dem Ständigen Ausschuss der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes das Problem und damit den Anlass für ein Eingreifen in den Krieg auf den Punkt: "China und Korea sind füreinander wie Lippen und Zähne: Wenn man der Lippen beraubt ist, frieren die Zähne ..." Das gilt unverändert.

Geschichte von Korea: Schüler in Baltimore, USA, üben 1951 während des Koreakrieges das Verhalten bei einem Atomangriff.

Schüler in Baltimore, USA, üben 1951 während des Koreakrieges das Verhalten bei einem Atomangriff.

(Foto: AP)

Der Waffenstillstand, der am 27. Juli 1953 unterzeichnet wurde, schrieb praktisch den alten Grenzverlauf fest und bildet bis heute die Basis der Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea. Die Verluste des Krieges waren auf allen Seiten außerordentlich hoch. Insgesamt dürften bis zu vier Millionen Menschen ums Leben gekommen sein, die meisten von ihnen Zivilisten. Das war nicht zuletzt eine Folge der amerikanischen Kriegführung, vor allem ihrer Bombenangriffe.

Insgesamt warf die amerikanische Luftwaffe über Nordkorea mehr Bomben ab als während des gesamten Pazifik-Krieges der Jahre 1941 bis 1945, darunter 32 557 Tonnen Napalm, eine tückische Brandwaffe. Nur auf eine Waffe wurde dann doch verzichtet. Atombomben, wie sie von den Amerikanern am 6. und 9. August 1945 über den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki gezündet worden waren, kamen nicht zum Einsatz.

Zwar stand US-Präsident Harry S. Truman kurz davor, einer entsprechenden Forderung des Oberkommandierenden der internationalen Streitmacht in Korea, General Douglas MacArthur, nachzugeben.

Aber dann schloss sich der US-Präsident doch der Auffassung seines Generalstabschefs Omar Bradley an, dass ein Atomkrieg gegen China "der falsche Krieg am falschen Ort zur falschen Zeit gegen den falschen Feind" sei, und entließ MacArthur.

Trumps Satz von "Feuer, Wut und Macht" ist ein Spiel mit eben diesem Feuer

Heute ist es der Präsident der Vereinigten Staaten selbst, der laut über einen Einsatz amerikanischer Nuklearwaffen nachdenkt. Donald Trumps Warnung vom 9. August 2017, einem von Nordkorea angedrohten nuklearen Präventivschlag gegen die Pazifikinsel Guam mit "Feuer, Wut und Macht" begegnen zu wollen, ist ein Spiel mit eben diesem Feuer.

Denn niemand vermag verlässlich vorherzusagen, wie Kim Jong-un mit dieser Vorlage umgeht, weil niemand weiß, wie stabil die Herrschaft des Diktators und seiner Entourage ist. Nicht einmal die Frage, ob Nordkorea tatsächlich über einsatzfähige Nuklearwaffen verfügt, lässt sich zuverlässig beantworten. Das gilt auch für die Frage, ob ein Angriff auf den US-Stützpunkt in Guam für die Nato den Bündnisfall bedeuten würde. Anders als nach den Anschlägen des 11. September 2001 wäre er nicht automatisch gegeben. Aber könnten sich die Partner einem entsprechenden amerikanischen Ersuchen entziehen?

Für Donald Trump wiederum würde es im Falle eines nordkoreanischen Angriffs schwer, seiner Ankündigung keine Taten folgen zu lassen, denn hier geht es nicht zuletzt um die Glaubwürdigkeit einer Weltmacht. Sollte es so weit kommen und sollten die USA, wie auch immer, militärisch in Korea intervenieren, werden China und wohl auch Russland nicht teilnahmslos zuschauen können. So könnte sich die Welt unversehens am Rande eines neuen Koreakriegs wiederfinden.

Die Lage ist brisant. Dass in Nordkorea und - soweit dort das Weiße Haus den Ausschlag gibt - auch in den USA die Unberechenbarkeit Regie führt, macht den Konflikt so brandgefährlich.

Der Autor lehrt Neueste Geschichte an der Universität Erlangen und hat unter anderem eine Biografie über Gerhard Schröder geschrieben. Sein neues Buch "Krieg. Hundert Jahre Weltgeschichte" erschien im Herbst bei der DVA.

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