Geschichte:Glaubenskämpfe

Ressentiments gegen andere Religionen sind in den USA eine historische Konstante. Nur traf es in früheren Zeiten vor allem Katholiken.

Von andrian kreye

Amerikanische Politiker haben ein strategisches Gespür für historische Verweise, das man in Europa nur selten findet. Nun sollte man das Reflexionsvermögen von Donald Trump nicht überschätzen - vielleicht war es schlicht Zufall. Sein Aufruf, die Grenzen für Muslime zu schließen, stieß am Montag jedoch auf eine Begeisterung, die sich nicht nur aus der momentanen Angst speiste, dass sich die muslimischen Amokläufer im kalifornischen San Bernardino vom IS inspirieren ließen.

Da war zum einen das Datum. Trump verkündete seine Idee am Pearl Harbor Day, jenem inoffiziellen Gedenktag, an dem sich die Nation an den Angriff der japanischen Luftwaffe auf den US-Stützpunkt am 7. Dezember 1941 erinnert. Die Attacke aus der Luft führte zum Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg und blieb bis zum 11. September 2001 der einzig nennenswerte Angriff auf das Staatsgebiet der USA.

Trump spielt allerdings auch - bewusst oder unbewusst - mit den religiösen Ressentiments gegen Einwanderer, die vor allem im 19. und frühen 20. Jahrhundert die Stimmung der Nation prägten. Man darf diese Fremdenfeindlichkeit nicht mit dem Rassismus verwechseln, der in Amerika nie ganz verschwunden ist. Der richtete sich ursprünglich gegen die Nachkommen der afrikanischen Sklaven und gegen chinesische Zwangs- und Hilfsarbeiter. Und war sogar rechtlich verankert.

Die einstmals Verfolgten unterdrückten später die anderen

Der Widerstand gegen Einwanderer anderer Glaubensrichtungen war dagegen purer Volkszorn und traf zunächst vor allem Katholiken. Was in den Kolonien noch ein Import aus dem anglikanischen England war, ging mit dem ersten Verfassungszusatz 1789 - der unter anderem die Religionsfreiheit garantiert - zwar offiziell zu Ende. Die Ablehnung aller Menschen, die nicht dem protestantischen Glauben der Nationsgründer anhingen, gärte jedoch weiter. Immerhin gründete sich die amerikanische Nation ja darauf, ein Staat verfolgter Christen protestantischer Sekten zu sein.

Wie fragil die verfassungsrechtliche Garantie religiöser Toleranz sein kann, zeigten allerdings schon die Einwanderungswellen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Mit den Armutsflüchtlingen aus Irland und Italien wallte auch der Anti-Katholizismus wieder auf. Der Ku-Klux-Klan verfolgte nicht nur Schwarze und Juden - er schürte auch den Hass gegen Katholiken, es kam zu gewalttätigen Hysterien. Im Jahr 1923 sammelte sich in North Manchester im Bundesstaat Indiana ein Lynchmob von 1500 Klan-Anhängern am Bahnhof. Es hatte sich das Gerücht verbreitet, der Papst käme mit dem Zug durch den Ort. Ein einziger Passagier stieg aus, den sich die Rasenden griffen. Erst als sie in seinem Gepäck ein Sortiment Damenunterwäsche entdeckten, wurden sie stutzig. Der vermeintliche Papst, so stellte sich heraus, war in Wirklichkeit ein Handelsvertreter für Korsagen.

Was heute bizarr erscheint, ist immer noch aktuell. Islamophobie hat sich seit den Anschlägen des 11. September tief in der amerikanischen Gesellschaft verwurzelt. So stürmte vor drei Jahren in Wisconsin der Veteran und Rassist Michael Page einen Sikh-Tempel und schoss wild um sich. Sechs Tote und vier Verletzte forderte der Amoklauf. Die Motive wurden nie bekannt, doch man vermutete, dass er die Turbane der Sikhs für islamische Kopftracht hielt.

Wenn Donald Trump nun also mit seiner Forderung nach einem Einreiseverbot für alle, auch amerikanische Muslime bei seinen Anhängern auf Begeisterung stößt, greift er tief in die Mottenkiste der amerikanischen Fremdenfeindlichkeit. Bei seinen Anhängern vom rechten Flügel der Republikanischen Partei haben sich die offensichtlich über die Jahrhunderte gehalten. Auch wenn das eigentlich ein Angriff auf die von ihnen so geliebte Verfassung ist.

Die Zeitschrift New Yorker witzelte darüber auf Twitter: "Trump-Anhänger enttäuscht, dass er nur eine Religion verbieten will." Der "Raumschiff Enterprise"-Darsteller George Takei schrieb dagegen, er könne es nicht fassen, dass Trump solche Ressentiments ausgerechnet am Pearl Harbor Day schüre. Er selbst wisse, wozu das führen könne. Takei hatte als Sohn japanischstämmiger Eltern drei Jahre seiner Kindheit in einem der Internierungslager verbracht, die nach dem Angriff auf Pearl Harbor für alle Menschen mit japanischen Wurzeln eingerichtet wurden, egal ob sie einen amerikanischen Pass hatten oder nicht.

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