Geschichte der Fernsehdebatten:The winner takes it all

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Der Sieger in den Fernsehduellen hat immer auch die Präsidentenwahl gewonnen. Manchmal - wie zum Beispiel 2000 - kann man nicht sagen, wer der Gewinner ist.

Von Markus Schulte von Drach

Als im September 1960 die beiden Kandidaten vor die Kameras traten, sah Nixon schlecht aus. Er schien unrasiert und steif, schwitzte und war - vermutlich aufgrund eines Krankenhausaufenthalts - blass. Kennedy dagegen wirkte entspannt, sportlich und locker. 70 Millionen US-Bürger verfolgten das Duell vor dem Fernseher, etliche weitere Millionen saßen vor dem Radio.

Es stellte sich heraus, dass die beiden Gruppen eine völlig andere Wahrnehmung des Gesprächs hatten. Während der demokratische Kandidat JFK die Herzen vieler Fernseh-Zuschauer gewann, fanden die meisten Radiohörer die Argumente des Republikaners Nixon überzeugender.

Die Wahl gewann Kennedy mit einem Vorsprung von nur 0,1 Prozent! Seine vorteilhafte Erscheinung im Fernsehen dürfte ihren Teil zum knappen Wahlsieg beigetragen haben.

Ford macht sich lächerlich

Erst 1976 kam es erneut zu einem Fernseh-Duell, diesmal zwischen Gerald Ford und Jimmy Carter. Für Zuschauer und Präsidentschaftskandidaten war die erste halbe Stunde diesmal extrem anstrengend: Der Ton war ausgefallen, das Bild aber wurde gesendet. Und so mussten die Zuschauer mit ansehen, wie die beiden Politiker sich fast krampfhaft bemühten, allein mit ihrer Körperhaltung einen guten Eindruck zu machen.

Ein einem zweiten Auftritt der beiden Konkurrenten offenbarte der Republikaner Ford dann gravierende Mängel in seiner außenpolitischen Bildung: Er stellte die Behauptung auf, "es gibt keine Vorherschaft der Sowjetunion in Osteuropa - und unter einer Ford-Regierung wird es sie auch niemals geben." Ford beharrte auf dieser falschen und lächerlichen Aussage, selbst als Journalisten noch einmal nachfragten.

Jimmy Carter dagegen konnte - auch seiner eigenen Einschätzung zufolge - bei den Rededuellen mit großer innen- und außenpolitischer Kompetenz punkten.

Reagan macht sich über Mondale lustig

Doch die half ihm im Duell gegen Ronald Reagan 1980 nicht. Reagan, der Ex-Schauspieler, trat geistreicher und humorvoller auf, als der Amtsinhaber, was die Mehrheit der US-Bürger offenbar zu schätzen wusste.

Carters fachliches Wissen konterte Reagan mit Sprüchen. So machte er sich über Carters Versuch, ihn in eine echte Argumentation zu verwickeln, lustig. Der in politischen Angelegenheiten versiertere Demokrat schien gegenüber Reagan wie ein volksferner Pedant.

Ähnlich ging es dem Demokraten Walter Mondale 1984. Obwohl Reagan, bereits 73 Jahre alt, in der ersten Debatte erschöpft wirkte, konnte er seinen Herausforderer in den folgendenen TV-Duellen gerade mit witzigen Hinweisen auf sein eigenes Alter und die "Jugend und Unerfahrenheit" des 56-jährigen Mondale übertrumpfen.

Dukakis stolpert über Emotionslosigkeit

Die Wahl des Republikaners George Bush senior 1988 wurde vermutlich innerhalb weniger Sekunden in einem Fernsehduell mit seinem Konkurrenten Michael Dukakis entschieden. Während der zweiten TV-Debatte fragte Bernard Shaw von CNN den Kandidaten der Demokraten, "wenn Kitty Dukakis (die Frau des Kandidaten) vergewaltigt und ermordet würde, wären Sie für die Todesstrafe für den Mörder?"

Scheinbar emotionslos widersprach Dukakis und dozierte darüber, warum er gegen die Todesstrafe war, statt als Mensch und Ehemann seine Gefühle zu zeigen.

1992 traten dann gleich drei Kandidaten an: Amtsinhaber George Bush senior, der Demokrat Bill Clinton und Ross Perrot, der behauptete, nur ein Geschäftsmann zu sein, kein Politiker. Als angeblicher politischer Außenseiter erweckte er den Eindruck, ehrlicher zu sein, als seine Konkurrenten.

Clinton: Nicht Dole ist zu alt, sondern seine Ideen

George Bush dagegen stieß die Fernsehzuschauer gewissermaßen im Handumdrehen vor den Kopf, als er während der Debatte auf die Uhr schaute. Es wirkte, als hoffte der Republikaner auf ein baldiges Ende der Show.

Bill Clinton wiederum gelang es, sich während dieser und folgender Veranstaltungen als junger, humorvoller und zugleich ernsthafter Kandidat zu profilieren. Perrot kostete Bush etliche Stimmen, Clinton gewann die Wahl.

Als Bill Clinton 1996 gegen den Republikaner Bob Dole antrat, gelang es ihm - anders als Carter bei Ronald Reagan - die Debatte auf seine Politik zu lenken, während Bob Dole versuchte, ihm diverse Skandale vorzuwerfen. Auch war Clinton wie Reagan in der Lage, seinen Gegner im Rede-Duell mit guten Sprüchen vorzuführen. So erklärte er: "Ich glaube nicht, dass Senator Dole für das Präsidentenamt zu alt ist. Es sind seine Ideen, die ich für zu alt halte."

Als dann 2000 Clintons Vize Al Gore für die Demokraten und George W. Bush für die Republikaner antraten, zeigte sich, wie gut sich die Kontrahenten auf die TV-Duelle vorbereitet hatten. Die Kandidaten gaben sich keine Blöße, stellten ihre unterschiedlichen Positionen überwiegend sachlich gegenüber, unterbrochen von einigen wenig spektakulären Attacken auf die Person des Gegners. Einen Effekt auf das Wahlergebnis hatten die Fernsehdebatten offenbar nicht.

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