Germanwings-Katastrophe:Flug 4U 9525 gibt Rätsel auf

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Obwohl die Piloten beim Sinkflug minutenlang Zeit hatten, setzten sie keinen Notruf ab. Experten fragen sich, was sie daran hinderte.

Von Jens Flottau, Nadia Pantel, Annette Zoch

Einen Tag nach dem Absturz einer mit 150 Menschen besetzten Germanwings-Maschine in den französischen Alpen herrscht immer noch Unklarheit über die Unfallursache. Wie die französische Untersuchungsbehörde BEA am Mittwochabend mitteilte, ist es den Technikern gelungen, aus dem schwer beschädigten Stimmrekorder eine auswertbare Audiodatei zu sichern. Worte und Geräusche seien bis zum Aufprall aufgezeichnet worden, sagte BEA-Chef Rémi Jouty. Eine Erklärung für den Absturz könne er noch nicht geben. Eine Explosion schließe er aber aus. Beim letzten Kontakt hätten die Piloten eine Routine-Meldung gemacht. Der Sinkflug sei "kompatibel mit einem automatisch gesteuerten Flugzeug". Vom zweiten Flugschreiber mit den technischen Daten wurde laut Frankreichs Präsident François Hollande bisher nur die Hülle gefunden.

Der Airbus war am Dienstag auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf in einen minutenlangen Sinkflug gegangen, ehe er im Bergmassiv Trois-Évêchés zerschellte. Nach Angaben aus Branchenkreisen soll es vor dem Aufprall keine automatischen Warnmeldungen über technische Fehler gegeben haben; der A320 war also offenbar bis zuletzt flugtauglich. Obwohl die Piloten beim Sinkflug genügend Zeit hatten, setzten sie keinen Notruf ab. Experten halten es deshalb für möglich, dass sie durch einen Druckabfall in der Kabine das Bewusstsein verloren haben.

Am Mittwochnachmittag trafen Bundeskanzlerin Angela Merkel, Hollande und Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy an der Unfallstelle ein. Merkel dankte den mehr als 200 Feuerwehrleuten und 500 Polizisten im Einsatz. "Das ist ein Zeichen unglaublicher Freundschaft und Hilfe. Wir sind sehr dankbar", sagte sie. Begleitet wurde die Kanzlerin von der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Besonders viele Opfer des Fluges 4U 9525 mit Ziel Düsseldorf kamen aus dem Bundesland. Neben den französischen Helfern sind drei Spezialisten des Bundeskriminalamts in der Bergregion mit der Identifizierung der Opfer betraut. Experten schätzen, dass es bis zu zwei Wochen dauern könne, bis alle Opfer mittels DNA-Analysen identifiziert sind. Die Lufthansa will die Angehörigen am Donnerstag mit Sondermaschinen aus Düsseldorf und Barcelona nach Südfrankreich fliegen. Germanwings hat die Zahl der deutschen Opfer am Mittwoch nach oben korrigiert. Nach Angaben von Vorstandschef Thomas Winkelmann kamen 72 Deutsche und 35 Spanier ums Leben. Insgesamt waren Menschen aus mindestens 15 Nationen an Bord. Die Feststellung der Staatsangehörigkeit gestaltet sich allerdings schwierig, da Passagiere vereinzelt über doppelte Staatsangehörigkeiten verfügten und im Schengen-Raum keine Pässe mehr vorgezeigt werden müssen. Erste Opfer wurden in der Nacht zum Donnerstag geborgen. Bei der Fluglinie haben sich nun auffallend viele Crews krankgemeldet. Der Flugbetrieb konnte nur deshalb aufrechterhalten werden, weil die Airline kurzfristig Maschinen anderer Gesellschaften mietete.

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