Gericht:Muslimische Mädchen müssen zum Schwimmen

Schülerinnen dürfen zur Teilnahme am Unterricht verpflichtet werden, wenn sie einen Burkini tragen können.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Muslimische Mädchen können zur Teilnahme am gemeinsamen Schwimmunterricht mit Jungen verpflichtet werden. Eine Befreiung aus religiösen Gründen ist nicht erforderlich, wenn sie die Möglichkeit haben, im Schwimmbad in einem den Körper weitgehend bedeckenden Burkini zu erscheinen. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Schweizer Fall entschieden. Ein türkisches Elternpaar aus Basel - mittlerweile mit schweizerischem Pass - hatte sich gegen eine entsprechende Verfügung der Schulbehörde gewehrt. Aus seiner Sicht war es nicht mit ihrem Glauben vereinbar, dass die 1999 und 2001 geborenen Töchter am gemischten Schwimmunterricht teilnahmen und dort den Blicken der Jungen ausgesetzt waren. Die Behörde erlaubte das Tragen eines Burkinis und blieb in der Sache hart, als Vermittlungsversuche scheiterten. Wegen der hartnäckigen Weigerung der Eltern verhängte sie im Jahr 2010 ein Bußgeld von rund 1300 Euro.

Der Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verweist in seinem Urteil auf den weiten Gestaltungsspielraum, den die Staaten bei der Bestimmung des Verhältnisses von Staat und Religion genössen; in Religions- wie auch in Schulfragen agiert das Gericht eher zurückhaltend und nimmt Rücksicht auf nationale Eigenheiten. Zugleich aber lassen die Richter keinen Zweifel daran, dass sehr starke Argumente für eine Pflicht zur Teilnahme am Schwimmunterricht sprechen. Die Schule spiele eine besondere Rolle im Prozess der sozialen Integration - eine Rolle, die umso entscheidender sei, wenn es um Schüler ausländischer Herkunft gehe. Die Schulpflicht habe große Bedeutung für die Entwicklung der Kinder. "Eine Befreiung von bestimmten Schulstunden ist nur in sehr außergewöhnlichen Umständen gerechtfertigt", argumentiert das Gericht - etwa aus medizinischen Gründen.

Denn letztlich liege eine umfassende Erziehung im eigenen Interesse der Kinder, weil sie eine erfolgreiche soziale Integration erleichtere. Im Schwimmunterricht gehe es nicht nur darum, Schwimmen zu lernen; wichtig für die Kinder sei also nicht allein die physische Erziehung, "sondern vor allem die Teilnahme an einer Aktivität mit allen anderen Schülern, ohne Ausnahmemöglichkeit wegen der Herkunft des Kindes oder wegen der religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen der Eltern", heißt es in der Mitteilung des Gerichts.

Das Urteil aus Straßburg liegt auf einer Linie mit der deutschen Rechtsprechung. Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2013 die Befreiung einer muslimischen Schülerin vom Schwimmunterricht ebenfalls abgelehnt und auf die Möglichkeit verwiesen, einen Burkini zu tragen. Auch in der Begründung des Menschenrechtsgerichts spielt der Burkini eine wichtige Rolle, weil die Behörden damit den - grundsätzlich legitimen - religiösen Bedenken der Eltern entgegenkomme. Ob der Gerichtshof ein schulisches Burkini-Verbot hinnehmen würde, wie es 2016 für südfranzösische Strände angeordnet (und gerichtlich gekippt) worden war, ist daher äußerst zweifelhaft.

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