Geplantes Ministerium in Venezuela:Verwaltung des Glücks

CHAVEZ'S SUPPORTERS FARWELL THEIR LEADER

Idee mit ernstem Hintergrund: Venezuela will ein Ministerium des Glücks einrichten. Derzeit ist ein Großteil der Bevölkerung alles andere als glücklich.

(Foto: dpa)

Meldungen aus Venezuela sind selten langweilig. Mal wird die Uhr um eine halbe Stunde verstellt, mal prügeln sich Abgeordnete. Nun ist dem neuen Staatschef Nicolás Maduro eine neue Idee gekommen. Er plant ein Ministerium für den Gemütszustand. Dabei hat das Vorhaben durchaus einen ernsten Hintergrund.

Von Peter Burghardt, Buenos Aires

Aus Venezuela kommen immer wieder skurrile Meldungen, langweilig wird es dort nie. Seit der Ära des vormaligen Präsidenten Hugo Chávez wurde die Republik im Norden Südamerikas zu einer Hochburg des Magischen Realismus, der Lateinamerika so faszinierend macht. Im venezolanischen Alltag verwandelt sich der Magische Realismus manchmal auch in Magischen Surrealismus. Oder in Magischen Sozialismus, denn es regiert die Sozialistische Partei.

Mal wird die Uhr um eine halbe Stunde verstellt, mal fehlt Toilettenpapier im Supermarkt, mal prügeln sich Abgeordnete. Seit März ist der Comandante Chávez tot und für eine Mehrheit der Bewohner zum Heiligen aufgestiegen, aber auch sein hölzerner Nachfolger Nicolás Maduro versucht aufzufallen. Sein neuestes Projekt: Er gründet ein Glücks-Ministerium.

Ministerium der obersten sozialen Glückseligkeit

Viceministerio para la Suprema Felicidad Social del Pueblo venezolano" heißt es. Vizeministerium zur obersten sozialen Glückseligkeit des venezolanischen Volkes. Das klingt nach Sekte - oder nach George Orwells Liebes-Ministerium aus dem Buch "1984".

Doch es hat trotz des bizarren Titels einen durchaus ernsten Hintergrund: Das Ressort soll die Sozialmaßnahmen der Regierung verwalten. Dazu gehören Sanitätsstationen, Schulen und Geschäfte mit subventionierten Lebensmitteln in den Armenvierteln, "Missionen" werden diese Niederlassungen genannt. Chávez hatte das System eingeführt, als ihn seine Feinde mal wieder mit einem Referendum stürzen wollten. Kuba stand Modell, Fidel Castro beriet. Die Filialen des Staates in der Armut wurden zur Basis seiner Beliebtheit und Macht.

Chávez verstand es, anders als seine bürgerlichen Vorgänger, einen Widerspruch zu benennen. Einerseits sitzt Venezuela auf Unmengen von Erdöl und verdient damit Milliarden Dollar. Andererseits wuchern die Slums. Mit den Öleinnahmen finanzierte Chávez die Hilfsprogramme im Namen des Unabhängigkeitshelden Simón Bolívar. Auf einmal gibt es selbst in den Hügeln Ärzte, nicht selten kubanische, und bedürftige Senioren lernen das Alphabet.

Viele Landsleute sind derzeit eher unglücklich

Gegner nennen es Populismus, aber den Klienten geht es besser als vorher. Der Präsident Maduro will das Glücks-Ministerium als Hommage an die Märtyrer Chávez und Bolívar einführen. Doch viele seiner Landsleute sind derzeit eher unglücklich.

Die Inflation liegt bei knapp 50 Prozent. Mancherorts sind auch Maismehl und Milchpulver knapp, wegen des fehlenden Klopapiers ließ Maduro eine Fabrik besetzen. Immer mal wieder fällt der Strom aus, und die Mordrate ist katastrophal.

Venezuela funktioniert unter Maduro noch schlechter als zuvor. Den Tag der Kommunalwahlen am 8. Dezember will Maduro zum "Tag der Treue und Liebe zu Chávez" küren. Das wahre Ministerium für die Glückseligkeit des Volkes sei jenes, das sich darum kümmere, dass Maduro seine Koffer packe, spottet die Oppositionelle María Corina Machado.

Das Recht auf Zufriedenheit wollen indes auch andere Regierungen festschreiben. Früher kümmerte sich die Politik der Region vor allem um die Eliten. Vielleicht macht die Idee ja Schule. Womöglich sollte auch Deutschlands große Koalition bei ihren Verhandlungen über ein Glücksressort beraten.

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