Geplantes Attentat auf Russlands Premier:Wenn ein Anschlag Putins Wahlkampf nützt

Dass tschetschenische Terroristen offenbar einen Anschlag auf Wladimir Putin planten, ist seit längerem bekannt - warum wird die Nachricht ausgerechnet einige Tage vor der Wahl veröffentlicht? Kritiker vermuten eine PR-Aktion Putins.

Hannah Beitzer

Am Wochenende berichtet der russische Staatssender Perwy kanal (Erster Kanal), dass russische und ukrainische Spezialkräfte einen Mordanschlag auf Wladimir Putin vereitelt haben. Ein Anschlag kurz vor der Präsidentenwahl am kommenden Sonntag: Ist das ein Zufall? Kritische Medien in Russland vermuten: eher eine PR-Aktion.

Der derzeitige Ministerpräsident Russlands hat bei den Wahlen eigentlich beste Chancen. Dennoch ist er erstmals auch mit breiter Kritik aus der Bevölkerung konfrontiert - seit den Parlamentswahlen im Dezember gehen regelmäßig Menschen auf die Straße, um für mehr Demokratie zu demonstrieren.

Davon, darin sind sich die Kritiker einig, sollen die Berichte über das vereitelte Attentat ablenken. Dafür spricht, dass das Attentat bereits im Januar verhindert worden war, die Meldung aber erst jetzt, kurz vor der Wahl veröffentlich worden ist.

"Die Idee dahinter ist klar", zitiert etwa der regierungskritische Kommersant einen Experten, "wir als Nation sollen uns um unseren Führer scharen, der so entschieden und ernsthaft handelt und gegen den sich so dunkle Mächte verschwören." Die Nachricht über die Verhaftung falle außerdem nicht umsonst mit der Veröffentlichung eines sicherheitspolitischen Artikels Putins in der Zeitung Moskowskije Nowosti an diesem Montag zusammen.

Der ukrainische Geheimdienst und auch Putins Sprecher bestätigten den Bericht über die Verhaftung - näher kommentieren wollte man ihn jedoch nicht. Die Festnahmen seien erfolgt, nachdem Anfang Januar eine versehentliche Explosion die Aufmerksamkeit der Ermittler geweckt habe, heißt es in dem Fernsehbeitrag. Zwei der mutmaßlichen Verschwörer reisten dem Fernsehbericht zufolge mit Anweisungen des tschetschenischen Rebellenführers Doku Umarow aus den Vereinigten Arabischen Emiraten über die Türkei in die Ukraine ein.

Einer der beiden, ein Tschetschene, sei bei dem Explosionsunfall im Januar getötet worden, der andere, ein Kasache, sei verletzt und festgenommen worden. Er habe die Ermittler dann zu einem tschetschenischen Verbindungsmann in Odessa geführt, der früher in London gelebt habe. Dieser Kontaktmann sagte dem Fernsehsender, die Gruppe habe Putin mit einem Sprengsatz töten wollen.

Putin und Tschetschenien

Dass Tschetschenien im Wahlkampf des aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten eine Rolle spielt, überrascht in Russland niemanden. Wladimir Putins politische Karriere ist untrennbar mit dem Tschetschenien-Konflikt verbunden, in dem er stets eine Politik der harten Hand verfolgte.

Schon als Ministerpräsident, damals noch unter Präsident Boris Jelzin, reagierte er 1999 rigoros auf Anschläge in Moskau, die tschetschenischen Terroristen angelastet wurden. Die russische Armee marschierte in der Kaukasusrepublik ein, der zweite Tschetschenienkrieg begann, kurz darauf wurde Putin russischer Präsident.

Der Konflikt dauerte Putins gesamte Zeit als Präsident an, er war von grausamen Attentaten der tschetschenischen Rebellen, aber auch von Berichten über Menschenrechtsverletzungen der russischen Armee in Tschetschenien geprägt. Die Rebellen griffen immer wieder die Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan an, verübten aber auch Anschläge in Moskau.

2002 etwa nahmen sie 700 Besucher einer Musical-Vorführung (Nord-Ost) als Geiseln, um den Abzug der russischen Truppen aus ihrem Heimatland zu erpressen. Putin blieb abermals hart, bei der Erstürmung des Dubrowka-Theaters starben alle 41 Geiselnehmer, aber auch 129 Geiseln. 2004 kamen bei einer Geiselnahme in einer Schule in Beslan mehr als 300 Menschen ums Leben.

Bei einer Volksbefragung in Tschetschenien im Jahr 2003 stimmten laut offiziellem Ergebnis 95,5 Prozent der Bevölkerung für den Verbleib in der Russischen Föderation. Beobachter bezweifelten allerdings die Rechtmäßigkeit des Wahlergebnisses.

2003 installierte Putin bei den Präsidentschaftswahlen in der Republik seinen bevorzugten Kandidaten Achmat Kadyrow, der allerdings sieben Monate später bei einem Anschlag getötet wurde. Inzwischen ist dessen Sohn Ramsan Präsident der Republik. 2009 wurde der Konflikt offiziell für beendet erklärt.

Für all das wurde Putin zwar von Oppositionellen kritisiert - der größte Teil der russischen Bevölkerung teilte durchaus seine Ansicht, ein Präsident habe in erster Linie Härte und Stärke zu demonstrieren. Wer anderer Meinung war, lebte gefährlich: So wurde zum Beispiel 2006 die russische Journalistin Anna Politikowskaja, die kritisch über die Rolle der russischen Armee und Ramsan Kadyrow berichtet hatte, ermordet. Bis heute sind die Hintermänner der Tat unklar.

2009 wurde in Moskau der Anwalt Stanislaw Markelow erschossen, der sich für Opfer des Tschetschenienkriegs, aber auch die Hinterbliebenen der Moskauer Geiselnahme 2002, einsetzte. Kurz darauf wurde die Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa Opfer eines Verbrechens.

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