Geplanter Kanal in Nicaragua:Großer Traum vom "Gran Canal"

Panama-Kanal

2014 feiert Panama das 100-jährige Jubiläum seiner berühmten Wasserstraße. Nicaragua plant nun auch eine. Umweltschützer warnen. 

(Foto: dpa)

Zwei Millionen Jobs soll sie bringen und Armut reduzieren: Ein chinesischer Investor will in Nicaragua eine künstliche Wasserstraße zwischen Atlantik und Pazifik bauen. Ökologen fürchten Zerstörung, Experten zweifeln, ob der Plan überhaupt gelingt.

Von Peter Burghardt, Buenos Aires

In Panama wird eifrig gebaut, der Kanal ist bald noch tiefer und breiter als bisher. 1914 wurde die berühmte Verbindung von Atlantik und Pazifik eröffnet, bis zum Ende des Jahrhunderts führten die USA das Kommando, dann übernahmen vertragsgemäß die Gastgeber.

2007 begann die milliardenteure Erweiterung, heute eine der größten Baustellen der Welt, damit morgen auch modernste Riesenschiffe durch das Nadelöhr gleiten. Neue Schleusen entstehen, Zufahrten und Stausee werden trotz Bedenken von Umweltschützern ausgedehnt. Zum 100. Jubiläum 2014 soll sich die gewaltige Renovierung ihrem Ende nähern. Derweil bekommt das mittelamerikanische Land Konkurrenz: Auch Nicaragua will einen Kanal bauen - gemeinsam mit Chinesen.

Seit langem träumt die Nation weiter nordwestlich an der Landenge von seiner eigenen Wasserstraße, bis zuletzt blieb es bei der Phantasie. Die Republik versank im Bürgerkrieg, es gewannen die linken Sandinisten um den Comandante Daniel Ortega, der seit 2006 wieder als gewählter Präsident regiert.

40 Milliarden soll das Projekt "Gran Canal" kosten

Trotz eines wirtschaftlichen Aufschwungs ist Nicaragua einer der ärmsten Staaten des Westens, doch am Donnerstag beschloss das Parlament in Managua das ehrgeizigste und umstrittenste Gesetz der nationalen Geschichte. Ein chinesischer Geschäftsmann namens Wang Jing bekam die Konzession, um mit seiner Firma HK Nicaragua Canal Development Investment Co. einen künstlichen Fluss vom einen zum anderen Ozean zu baggern. Am Freitagabend sollte die historische Entscheidung auf dem Platz der Revolution von Managua gefeiert werden, allerdings will nicht jeder feiern.

Die sandinistischen Abgeordneten der Regierung Ortega überstimmten ihre Gegner bei dem Projekt "Gran Canal". 40 Milliarden Dollar soll es kosten. Anhänger glauben, dies werde die nicaraguanische Wirtschaftsleistung bis 2015 um 15 Prozent steigern, zwei Millionen Arbeitsplätze schaffen und die Armutsrate von derzeit 47 Prozent deutlich senken.

"Der Große Kanal öffnet die Gelegenheit, uns in das Herz des regionalen Handels zu verwandeln", schwärmt ein Mandatsträger. "Das ist die Gelegenheit, Armut und Arbeitslosigkeit zu reduzieren und soziale Ungleichheiten zu beseitigen." Andere dagegen glauben, Ortega und seine Genossen zerstörten und verscherbelten ihre Heimat.

Kritikern ist der Bauherr suspekt

Der Bauherr Wang, 42, leitet eine chinesische Telefonfirma, die ebenfalls in Nicaragua investieren will. Seine NK Nicaragua Canal Development Investment Co. Ltd. wurde offenbar in einiger Eile in Hongkong eingeschrieben, obwohl sie dort angeblich nicht einmal ein Büro hat. Ein weiteres Unternehmen des Pekingers ist dem Vernehmen nach auf den Kaiman-Inseln gemeldet. Kritikern ist das alles suspekt.

Wang habe keine Erfahrung mit solch gigantischen Plänen, schimpfen sie. Die Familie Ortega und ihre Kumpanen würden sich grandios bereichern, der Staatschef wurde immer wieder als Kleptomane auffällig. "Ortega-Wang-Vertrag" wird das Abkommen genannt. "Heute ist ein trauriger Tag für das Vaterland", klagte der Oppositionelle Víctor Hugo Tinoco. "Die Unabhängigkeit in Händen eines Chinesen", warnt die Zeitung La Prensa. "Nicaragua steht nicht zum Verkauf", wetterten Demonstranten. "Ortega, Verräter der Ideale des Augusto C. Sandino."

Die Strecke wäre doppelt so lang wie der Panamakanal

Das Parteiidol Sandino kämpfte einst gegen die US-Besetzung in Nicaragua, in seinem Namen wuchsen die sandinistischen Rebellen um Ortega. Statt wie einst Washington wolle sich nun Peking einmischen, vermuten Gegner, wobei Wangs Kontakte zur chinesischen KP-Führung unklar sind. China hat zunehmendes Interesse an Lateinamerika als Quelle von Rohstoffen und Abnehmer von Waren; Präsident Xi Jinping war kürzlich in der Region zu Besuch (aber nicht in Nicaragua).

Unklar ist Skeptikern vor allem, wie genau die Rinne zwischen den Weltmeeren entstehen soll. Die mutmaßliche Strecke liegt im Süden nahe der Grenze zu Costa Rica, der Wasserweg indes wäre mehr als doppelt so lang wie das Vorbild im deutlich schmaleren Panamá, nahezu 190 Kilometer. Ökologen fürchten, außer dem Urwald werde auch das Süßwasser-Reservoir Nicaragua-See beschädigt. Experten haben ohnehin ihre Zweifel, dass der Vorstoß gelingt. "Ich persönlich", sagt Alberto Alemán Zubieta, bis 2012 Chef des Panamá-Kanals, "halte das nicht für machbar".

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