Geplante Süd-Ost-Passage:Seehofer hält neue Stromtrasse für unnötig

Die sogenannte "Gleichstrompassage Süd-Ost" ist in einem Bundesgesetz vorgesehen und soll Bayern nach Abschaltung seiner Atomkraftwerke versorgen. Doch nun stellt Ministerpräsident Horst Seehofer das zentrale Projekt des Netzausbaus vor einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel infrage.

Im Streit um eine Stromtrasse von Sachsen-Anhalt quer durch Bayern nach Augsburg verschärft Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) den Ton. Er sehe "kaum noch Realisierungschancen" für das Großprojekt, sagte Seehofer am Montag in München. "Weil wir sie nicht brauchen." Dies wolle er auch bei dem für diesen Dienstag geplanten Spitzentreffen mit Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel vorbringen, kündigte Seehofer an.

Damit erreicht der Streit um die 450 Kilometer lange Gleichstromleitung eine neue Qualität. Bislang hatte Seehofer lediglich eine Überprüfung der Ausbaupläne gefordert. Werde das Tempo des Ökostromausbaus gedrosselt, dann ändere sich die Geschäftsgrundlage, hatte der CSU-Chef eingewandt. Bei einem Treffen im Kanzleramt hatten sich die Netzbetreiber und Vertreter der Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen verständigt, die Planung noch einmal zu überprüfen. Später kritisierte Seehofer, mit der Leitung gelange letztlich auch Kohlestrom nach Bayern. Halle an der Saale, der Ausgangspunkt der sogenannten Süd-Ost-Passage, liegt nicht weit vom mitteldeutschen Braunkohlerevier.

Ein Sprecher des Netzbetreibers Amprion wies die Einwände gegen die Leitung zurück. Ein Ausbau der Stromnetze sei unverzichtbar, um Bayern auch künftig sicher versorgen zu können. "Ein wichtiges Element dieses robusten Netzausbaus ist die Gleichstrompassage Süd-Ost", erklärte er. Die Leitung soll zunächst vor allem verhindern, dass Windstrom von der Küste ungewollt über Polen und Tschechien abfließt, statt direkt durch Deutschland nach Süden zu gelangen. Auf Dauer soll der Ausbau des Stromnetzes dann jene Lücke stopfen, die durch die Abschaltung der bayerischen Atomkraftwerke Isar 2 sowie Gundremmingen B und C entsteht. Äußerungen von CSU-Wirtschaftspolitiker Peter Ramsauer, nach denen auch längere Laufzeiten für die AKWs nicht auszuschließen seien, wies Seehofer allerdings zurück. Der Atomausstieg sei "unumkehrbar".

Die Kritik an der geplanten Stromtrasse dürfte nun vor allem jene Bürgerinitiativen freuen, die seit Monaten dagegen ankämpfen. In Dutzenden Petitionen an Bundesregierung, Bundesnetzagentur und Landesbehörden hatten sie zuletzt dafür geworben, die Planungen einzustellen, jedenfalls im Umfeld ihrer jeweils eigenen Gemeinde. Die CSU hatte bei den Kommunalwahlen in Bayern am Sonntag teils schwere Niederlagen hinnehmen müssen. Entlang des geplanten Trassenverlaufes sei bei den Wahlen aber kein einheitliches Stimmungsbild abzulesen, sagte Seehofer.

Allerdings ist Seehofers Einfluss auf die Trasse begrenzt. Sie ist im sogenannten Bundesbedarfsplangesetz ausdrücklich vorgesehen. Auch Bayern hatte dem zugestimmt. Der CSU-Chef will die Süd-Ost-Passage deshalb nun zum Gegenstand des Spitzentreffens der Parteichefs machen. Das Gespräch, das abermals anstelle eines regulären Koalitionsausschusses stattfindet, soll sich um "aktuelle Themen" drehen, darunter Mindestlohn, Ukraine - und jetzt den Netzausbau.

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