George Soros und die Euro-Krise:Die letzte Wette des alten Herrn

Lesezeit: 3 min

George Soros bei einer Konferenz in Hongkong im April 2013. (Foto: Bloomberg)

Als Währungsspekulant verdiente er Milliarden, jetzt hat George Soros ein neues Ziel: Er versucht den Deutschen klarzumachen, dass sie den Euro retten müssen. Merkels Regierung dürfe sich nicht mehr benehmen wie die Tea Party Europas.

Von Matthias Kolb

George Soros hat ein ganze Menge erreicht in seinem Leben. Mit seinem Quantum Hedgefonds verdiente er ein Vermögen von geschätzt 23 Milliarden Dollar, er hat eine Universität in seiner Geburtstadt Budapest gegründet und fördert als Stifter mit seinen Open Society Foundations Institutes in Dutzenden Ländern Demokratie und Menschenrechte. Soros ist oft Stargast bei den Treffen der Wirtschaftselite in Davos und meldet sich gern per Interview oder Gastbeitrag zu Wort - kürzlich forderte er die EU-Staaten in der SZ auf, die Übergangsregierung in der Ukraine mit einem Marshall-Plan zu unterstützen.

Nun hat der 83-Jährige ein neues Ziel: Er will den Euro retten, damit die Europäische Union als Friedensgarant überleben kann. "Wir müssen wieder an die historischen Wurzeln des Projekts erinnern, diesen Geist der Solidarität und Kooperation. Und diesen Prozess muss Deutschland als stärkste Macht in Europa anstoßen. Sollte ich es schaffen, die Deutschen ein wenig aufzurütteln und ihr Verhalten zu beeinflussen, wäre das die krönende Leistung meines Lebens." So sagt es Soros im Buch "Wetten auf Europa", das pünktlich zur Europawahl erschienen ist.

Den Kern des Werks bilden vier lange Interviews, die Soros dem Spiegel-Journalisten Gregor Peter Schmitz gegeben hat. Darin fordert er immer wieder: Die Deutschen sollen etwas großzügiger sein und den Krisenländern im Süden des Kontinents mehr helfen. Gern vergleichen der Amerikaner Soros und Schmitz, der lange aus Washington berichtete, Europa mit den USA. Amerika sei sich nach 1945 der Gräueltaten der Deutschen sehr wohl bewusst gewesen, war aber doch bereit, zu vergeben. "Deutschland hingegen scheint es bloß um Sanktionen und Strafe zu gehen, ohne dass das Land dem Rest Europas eine positive Vision bietet."

Dabei hätten auch die Deutschen 2003 die Maastricht-Kriterien verletzt, ohne bestraft zu werden, und zudem nichts gegen den Grundfehler der Währungsunion getan: Einerseits seien Staaten aufgenommen worden, die wirtschaftlich schwach waren (etwa Italien oder Griechenland) und andererseits sei man davon ausgegangen, dass die Defizite nur im öffentlichen Sektor auftreten könnten - an Exzesse von Banken und Unternehmen hätten Helmut Kohl und Theo Waigel nicht gedacht.

Deutschland und seine Mythen der Euro-Krise

Diese Zustandsbeschreibung gehört zum common sense, doch viele Deutsche wissen noch immer nicht, wie das eigene Krisenmanagement im Rest der Welt wahrgenommen wird. Ebendiese Perspektive nochmals zu verdeutlichen, ist ein weiteres Plus des Soros-Buchs. Präzise werden darin "deutsche Mythen" entzaubert: dass etwa Deutschland das Opfer der Euro-Krise sei und diese nur durch faule Griechen und italienische Lebenskünstler ausgelöst wurde.

Dabei braucht die deutsche Exportwirtschaft Staaten, die ihre Hightech-Produkte kaufen - Berlin muss deshalb ein Interesse an prosperienden Nachbarn haben. Den südeuropäischen Staaten wäre geholfen, wenn hierzulande mehr importiert würde und die Löhne stiegen: In der Folge nähme die deutsche Wettbewerbsfähigkeit ab und die Binnenkonjunktur würde angekurbelt.

Wenn Berlin weiter auf Austerität dränge und den Euro-Kurs nicht bald ändere, drohe "eine europäische Ordnung, in der Deutschland wie eine Kolonialmacht gehasst" werde, orakelt Soros. Deutschland habe zwei Optionen: Das Land könne als "wohlwollender Hegemon" seine Verantwortung als wirtschaftliche Führungsnation übernehmen und künftig großzügiger auftreten - oder Berlin müsse eben die Euro-Zone verlassen. Momentan verhalte sich Deutschland in Europa wie die Tea Party im US-Kongress, schimpft der Investor: "Dem Land selbst geht es gut, aber es will nichts an die weniger Glücklichen abgeben."

Dass er mit seinen Thesen und durch seine Biografie polarisiert, ist Soros bewusst. Egal ob Spiegel oder SZ, egal ob Print oder Online: Nach Interviews oder Gastbeiträgen des 83-Jährigen gibt es viele Leserbriefe - oft wird vermutet, der Spekulant Soros wolle nur seine Investments sichern. Darauf erwidert dieser schlicht, er wolle vielmehr "Mängel im System" aufdecken und bringe seine Erfahrung ein: "Wer wäre besser als ich qualifiziert, den Kapitalismus zu kritisieren?"

Spannungsfeld zwischen Staatsmann und Spekulant

Dennoch ist nicht zu leugnen, dass viele Transaktionen von George Soros genau jene Mängel ausnützen, die er in Interviews und Vorträgen kritisiert. So erinnerte etwa die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in einem langen Soros-Porträt daran, dass dieser Anfang 2012 vor laufender Kamera erklärt habe, wieso sein Fonds soeben für zwei Milliarden Dollar italienische Staatsanleihen gekauft habe. Die Zinsen von sechs Prozent seien "phantastisch" gewesen und das Risiko gleich null, da die EU Italien niemals pleitegehen ließe. "Das wäre das Ende von Europa."

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Dieser - wohl kaum zu lösende - Widerspruch wird auch in "Wetten auf Europa" nicht restlos geklärt. Was das knapp 200-seitige Buch lesenswert macht, sind neben den Interviews die knappen und kundigen Einführungen, in denen Schmitz die Leser auf das jeweilige Thema (Ursprung der EU; Euro-Krise; Verhältnis von Politik und Markt sowie Zukunft der EU) vorbereitet. Besonders aufschlussreich sind die Bericht von Soros über seine Kindheit und Jugend als Jude im von den Nazis besetzenden Budapest - seine europäischen Wurzeln sind nach Einschätzung von Schmitz eine entscheidende Motivationsquelle für Soros' Engagement.

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Sein Vater, so erzählt es Soros, habe ihn und seine Familie gerettet, indem er für alle gefälschte Pässe besorgt habe. Rückblickend sagt der Sohn, dass ihn diese Zeit in Budapest bis heute präge: "Ich habe von ihm gelernt, dass man nicht einfach auf Hoffnung bauen kann. Wir erleben dies gerade wieder in der Euro-Krise, in der europäische Politiker die Risiken der Währungsunion lieber herunterspielen, statt entschlossen an Lösungen zu arbeiten. Ich hingegen denke stets an die negativsten Folgen, die man sich vorstellen kann, damit ich auf das Schlimmste vorbereitet bin und entsprechend vorbeugen kann."

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