Generaldebatte im Bundestag:Mit feindlichen Grüßen

Kanzlerin Merkel ist so mit SMS beschäftigt, dass sie die Breitseite aus dem eigenen Lager gar nicht mitbekommt. Hinterher gratuliert sie dem Schützen auch noch. Zur Freude Westerwelles.

Elmar Jung, Berlin

Kaum hat Peter Ramsauer seinen letzten Satz gesprochen, da eilt die Kanzlerin auch schon zum Landesgruppenchef der CSU und gratuliert ihm zu seiner gelungenen Rede - eifriges Händeschütteln inklusive.

Generaldebatte im Bundestag: Zerstrittene Schwesterparteien: In der Steuerpolitik sind sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) nicht einig.

Zerstrittene Schwesterparteien: In der Steuerpolitik sind sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) nicht einig.

(Foto: Foto: dpa)

Angela Merkel scheint Peter Ramsauer nicht genau zugehört zu haben. Während Ramsauer sprach, tippte sie SMS in ihr Handy. Sonst hätte sie mitbekommen, dass Ramsauer in seinem Beitrag zur Generaldebatte im Bundestag gerade eine Breitseite gegen ihre Steuerpolitik abgefeuert hat.

Ramsauer will Steuersenkungen. Die Kanzlerein lehnt das bisher ab, zumindest bis zur Wahl. Ramsauer will da nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen und sagt, dass "davon keine Rede ist", keine Steuersenkungen zu beschließen. Was er meint: Er will die Steuern senken und zwar sofort. Das ist ganz auf CSU-Linie.

Um die Kanzlerin nicht völlig bloßzustellen, lobt der brav den Leitantrag der Schwesterpartei für den CDU-Bundesparteitag am Wochenende in Stuttgart, in dem Steuersenkungen in Aussicht gestellt werden. "Bravo, kann ich da nur sagen."

Die schwerere Attacke fährt er beim Thema Erbschaftsteuer. "Wenn durch schon versteuertes Geld Eigentum geschaffen wird, dann hat der Staat beim Vererben da keine Hand mehr anzulegen." Mit anderen Worten: Finger weg von den Erben, Frau Bundeskanzlerin.

Das saß, und es war eine klare Ohrfeige für die Kanzlerin. Ist sie es doch, die Steuersenkungen entschieden ablehnt und voll hinter der Erbschaftsteuerreform steht.

Doch nichts kann Merkel an diesem Tag davon abhalten, den Kameras ein Bild der Geschlossenheit zu vermitteln.

Glos geht auf Kuschelkurs

Demonstrativ schart sie nach Ramsauers Auftritt Steuersenkungsbefürworter wie den Wirtschaftssprecher Laurenz Meyer um sich. All die Streitigkeiten, die es in den vergangenen Wochen und Monaten zwischen CDU und CSU gegeben hat, sind ausgeräumt, lautet die Botschaft.

Auch Wirtschaftsminister Michael Glos geht an diesem Tag auf Kuschelkurs und setzt sich zweimal neben die Kanzlerin, der er vor wenigen Tagen noch Missachtung seiner Arbeit vorwarf. Er hat auch nicht verhindert, dass in der CSU-Landesgruppe der Kompromiss zur Erbschaftsteuer in Grund und Boden gestimmt wurde. Jetzt sucht er wieder Körperkontakt zur Kanzlerin.

Der geprobte Schulterschluss kommt gerade zur rechten Zeit. Die Union sieht sich gerade harten Attacken aus den Reihen der Opposition ausgesetzt.

Allen voran der FDP-Vizefraktionsvorsitzende Rainer Brüderle. Er wirft Merkel Untätigkeit vor und bemüht dazu sogar einen Vergleich mit Gerhard Schröders Politik der ruhigen Hand. Verglichen mit Merkel sei Schröder "ein regelrechter Zappelphilipp" gewesen. Die Befreiung von der Kfz-Steuer? Eine "Lachnummer". Die Bewältigung der Finanzkrise? Viel zu zögerlich.

Schließlich wendet sich Brüderle direkt an die Kanzlerin und fordert sie in der Manier eines Feldwebels auf, die Steuern endlich zu senken. Immer wieder sausen dabei seine Handkantenschläge auf das Rednerpult. "Jetzt müssen Sie die Steuern senken. Jetzt. Jetzt." Brüderle brüllt es fast. Es klingt wie ein Befehl.

Mit feindlichen Grüßen

Merkel schüttelt den Kopf ob der Härte dieser Attacke. Ein pikiertes Lächeln umspielt ihre Lippen. Sie trinkt erst einmal einen Schluck Wasser. Merkel wäre aber nicht Merkel, hätte sie sich nicht zwei Minuten später am Rednerpult wieder im Griff.

Kühl und sachlich spult sie ihr Programm ab. Schlägt einen Bogen von der Finanzkrise über den Mittelstand bis hin zu Bildungsinvestitionen und Integration. Sie will die Kanzlerin für jedermann sein, niemanden verprellen, nichts ausschließen aber auch nichts festzurren. "Wir brauchen eine Politik des Maßes, der praktischen Vernunft", sagt sie.

Merkels Rede an diesem Tag ist ein Plädoyer für die soziale Marktwirtschaft, die auch irgendwie eine Wirtschaft für jedermann sein soll. Immer wieder ballt sie ihre rechte Faust. Das Wort "Steuersenkung" nimmt sie nicht in den Mund.

Überhaupt fällt der Begriff nicht sehr oft. Jedenfalls nicht so häufig, wie es sich Peter Ramsauer wohl gewünscht hätte. CDU-Fraktionschef Volker Kauder sagt ihn auch nicht. Im Gegenteil: "Ziel ist es nach wie vor, einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen", sagt er. Eine klare Absage an eine Senkung von Steuern.

Als die Kanzlerin aufwachte

Dabei wird in der Union intern schon nicht mehr diskutiert, ob die Steuern gesenkt werden sollen. Es geht nur noch um die Frage: Wann? FDP-Chef Guido Westerwelle will es genau wissen. Er fragt Ramsauer, ob die Steuersenkung jetzt vor oder nach der Wahl kommt.

Ramsauer kann oder will nicht präzise antworten: "Sie kommt dann, wenn sie notwendig sind." Und erntet damit schallendes Gelächter aus der FDP-Fraktion.

An dieser Stelle wacht auch Angela Merkel auf und lässt von den Tasten ihres Handys ab. Sie konzentriert sich auf Ramsauer, der sich genötigt sieht, den Leitantrag des CDU-Bundesparteitags nochmals in den höchsten Tönen zu loben.

Offenbar überrascht von Ramsauers unerwarteter Unterstützung erhebt sich die Kanzlerin am Schluss, geht gemessenen Schrittes auf den CSU-Landesgruppenchef zu und reicht ihm breit lächelnd die Hand. Es wirkt, als wolle sie sich für die gelungene Breitseite ihres steuerpolitischen Gegners auch noch bedanken.

Für FDP-Chef Westerwelle ist das innerhalb kürzester Zeit der zweite Grund an diesem Morgen, in das laute Gelächter seiner Fraktion mit einzustimmen. Wie gesagt: Merkel hat wohl nicht genau zugehört.

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