Heiner Geißler im Interview:"Die große Koalition - das Beste in der Krise"

CDU-Veteran Heiner Geißler lobt die Arbeit der Koalition und attackiert die FDP: Beim Gedanken an einen Krisenmanager Westerwelle würde ihm übel.

Oliver Das Gupta

Heiner Geißler, Jahrgang 1930, blickt auf eine lange politische Karriere zurück. 1965 wurde er das erste Mal in den Bundestag gewählt, er war Landesminister in Rheinland-Pfalz und Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit. Seine Paraderolle hatte er zwischen 1977 und 1989 inne: Als CDU-Generalsekretär führte er für Helmut Kohl Wahlkämpfe, er polarisierte wie wenige andere. 1989 überwarf er sich mit Kohl. 2002 schied er aus dem Bundestag aus.

Heiner Geißler CDU Foto: Das Gupta

Früher Kohls Abteilung Attacke, heute Attac-Mitglied: Heiner Geißler

(Foto: Foto: Das Gupta)

sueddeutsche.de: Herr Geißler, Sie haben für Helmut Kohl erfolgreich Wahlkämpfe gemanagt. Würden Sie die Kampagne der Union 2009 auch so gestalten wie Generalsekretär Ronald Pofalla?

Heiner Geißler: Einen Punkt würde ich noch verstärken: Die CDU auf Distanz zur FDP halten.

sueddeutsche.de: Angesichts der möglichen Links-Regierungen im Saarland und Thüringen drängt sich doch ein Lagerwahlkampf von Schwarz-Gelb geradezu auf.

Geißler: Ein Lagerwahlkampf wäre diesmal falsch, weil man ihn nicht glaubwürdig führen kann. Union und SPD waren vier Jahre beisammen und haben ordentlich gearbeitet. Den bisherigen Partner nun hart anzugreifen, wäre unglaubwürdig.

sueddeutsche.de: Ihr Parteifreund und CDU-interne Opponent Friedrich Merz hat den Wahlkampf der CDU als "inhaltsleer" kritisiert. Hat er recht?

Geißler: Nein, natürlich nicht. Die in der CDU übriggebliebenen Neoliberalen wie Merz streben eine Neuauflage des Wahlkampfes von 2005 an - einen Wahlkampf, den wir bekanntermaßen verloren haben. Man kann eben keine Wahl gewinnen mit einer Politik, die gegen das Volk gerichtet ist. Der neoliberale Kurs von damals ist gescheitert!

sueddeutsche.de: Guido Westerwelle ätzt immer wieder über eine "sozialdemokratisierte" Union.

Geißler: Diese Einschätzung kann schon deshalb nicht stimmen, weil sie von ihm kommt (lacht). Die CDU will eine Reform der globalen Finanzwelt, eine internationale soziale Marktwirtschaft.

sueddeutsche.de: Merkel gibt sich seit Amtsantritt präsidial, will Konfrontationen tunlichst vemeiden. Vermissen Sie nicht manchmal eine klare Kante bei der Kanzlerin?

Geißler: Wir befinden uns in einer krisenhaften Zeit voller Unsicherheiten. Die Menschen blicken mit einem flauen Gefühl in die Zukunft, sie misstrauen dem Wirtschaftssystem. Gerade jetzt ist Vertrauen in die Politik wichtig. In dieser Stimmungslage ist Angela Merkel eine Hoffnungsträgerin.

"Union und SPD haben die Krise gemeistert"

sueddeutsche.de: Wahlkämpfe leben von Zuspitzung - wer wüsste das besser als Sie. Können Sie uns erklären, warum dieser Wahlkampf so leise ist?

Westerwelle MErkel Bundestag  ddp

"Schwarz-Gelb ist keine positive Perspektive für die deutsche Wirtschaft", meint Heiner Geißler. CDU-Chefin Merkel mit dem FDP-Vorsitzenden Westerwelle im Bundestag

(Foto: Foto: ddp)

Geißler: Beim wichtigsten innenpolitischen Thema, der Bewältigung der Wirtschaftskrise, sind sich die Koalitionäre einig. Union und SPD haben die Krise bislang gut gemeistert. Warum sollte man da nun künstliche Gegensätze inszenieren?

Deutschland kann froh sein, dass in den letzten zwei Jahren eine große Koalition im Bund regiert hat. Nur so konnten die Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise durchgeführt werden. Wenn man sich vorstellt, dass statt Merkel, Steinbrück und Guttenberg Personal wie FDP-Chef Westerwelle die Verantwortung getragen hätte, dann kann einem im Nachhinein noch schlecht werden. Schwarz-Gelb ist keine positive Perspektive für die deutsche Wirtschaft.

sueddeutsche.de: Union und FDP erklären unisono: Wir wollen unbedingt Schwarz-Gelb. Ist diese Festlegung clever?

Geißler: Nein, das ist nicht sehr intelligent, zumindest aus Sicht von CDU und CSU. Eine solche Festlegung führt ja nur dazu, dass die Union Wähler an die Liberalen abgibt. Und wenn es für Schwarz-Gelb nicht reicht, was ich glaube, dann werden der CDU diese Stimmen fehlen. Als geschwächter Koalitionspartner könnte die CDU nicht mehr eine solche Bedeutung haben wie jetzt.

sueddeutsche.de: Welche politische Konstellation wünschen Sie sich nach der Wahl?

Geißler: Ich bin eindeutig für eine Fortsetzung der großen Koalition - in dieser Krisenzeit kann uns nichts Besseres passieren.

sueddeutsche.de: Es gibt andere Themen wie die Atomkraft, bei der Union und SPD diametral verschiedener Auffassung sind. Wie soll das vier weitere Jahre klappen?

Geißler: Es wird hier wie anderswo Kompromisse geben.

sueddeutsche.de: Die FDP erhält immer mehr Zuspruch trotz der Krise. In Umfragen steht sie prächtig bei zwölf und mehr Prozent da. Wurmt Sie das?

Geißler: Die Umfragen sahen die Liberalen auch schon mal bei 18 Prozent.

sueddeutsche.de: Das kann bedeuten, dass viele Unionswähler zur FDP wechseln.

Geißler: Das sind für eine Krisenbewältigung und Zukunftspolitik der CDU verschenkte Stimmen. Wenn man als Unterstützer von Angela Merkel die FDP wählt, kann man seinen Stimmzettel auch gleich in den Ofen schieben.

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