Geiselnahme mit vier Toten:Schreckenstag in Südfrankreich

Geiselnahme bei Carcassonne

Polizisten sperren am Rande von Carcassonne eine Straße.

(Foto: dpa)
  • In Südfrankreich hat ein Mann bei einer Geiselnahme in einem Supermarkt und einem Autoraub drei Menschen getötet. Die Polizei hat den mutmaßlichen Täter erschossen.
  • Ein Polizist stellte sich als Geisel zur Verfügung. Dank seiner heimlichen Handyaufnahmen konnte die Einsatzleitung die Geschehnisse im Supermarkt verfolgen.
  • Der Geiselnehmer forderte die Freilassung von Paris-Attentäter Salah Abdeslam.
  • Die Terrormiliz Islamischer Staat reklamiert die Tat für sich.

Von Nadia Pantel, Paris

Eine Geiselnahme in einem Supermarkt erschütterte am Freitag die südfranzösische Kleinstadt Trèbes. Ein Täter drang um kurz nach elf Uhr am Vormittag in einen Supermarkt der Kette Super U ein und eröffnete das Feuer. Dabei tötete er drei Menschen, 15 weitere wurden verletzt. Einen weiteren Mann hatte der Täter zuvor auf dem Weg erschossen. Um 15 Uhr wurde der Täter von einer Anti-Terroreinheit überwältigt und getötet.

Frankreichs Innenminister Gérard Collomb fuhr noch während der Geiselnahme nach Trèbes und äußerte sich am Nachmittag in einer Pressekonferenz zur Identität des Täters. Es handele sich um einen Einzeltäter, der keine Komplizen gehabt habe. Der Täter ist ein 25-Jähriger aus Carcassonne. Er soll der Polizei durch kleinere Vergehen bekannt gewesen sein. Es handele sich um einen "Kleinkriminellen, der als Dealer bekannt war, aber es war nicht vorauszusehen, dass er sich radikalisieren würde". Der Täter war von der Polizei überwacht worden und in einer Kartei möglicher Terrorverdächtiger erfasst worden. Er sei jedoch unerwartet und, so Collomb, "unvermittelt zur Tat geschritten". Die Staatsanwaltschaft in Paris leitete während der Geiselnahme eine Untersuchung wegen Mordes und versuchten Mordes im Zusammenhang mit Terrorismus ein.

Verschiedene Medien berichteten, dass sich der Täter zur Terrormiliz Islamischer Staat bekannt habe. Am Nachmittag reklamierte Amaq, das Propagandaorgan des IS, die Tat für sich. Die Polizei sagte, dass der Täter während der Geiselnahme die Freilassung von Salah Abdeslam gefordert habe. Abdeslam ist der einzige überlebende Tatverdächtige des Terroranschlags auf das Pariser Veranstaltungszentrum Bataclan. Am 13. November 2015 tötete eine Gruppe von islamistischen Terroristen im Bataclan und in verschiedenen Bars der französischen Hauptstadt insgesamt 130 Personen. Abdeslam war unter anderem der Fahrer der Terroristen. Er steht derzeit im belgischen Brüssel vor Gericht.

Der Täter hatte bereits vor der Geiselnahme einen Menschen getötet und zwei Menschen schwer verletzt. Nach Informationen des Innenministeriums soll er zunächst in Carcassonne die Passagiere eines grauen Peugeot angegriffen haben. Er tötete den Beifahrer mit einem Kopfschuss und verletzte den Fahrer schwer. Daraufhin stahl er das Auto und fuhr zur Kaserne der CRS, einer Spezialeinheit der Polizei. Dort verfolgte er mit dem Auto eine Gruppe von Polizisten, die in der Nähe der Kaserne Sport machten und joggten. Der Täter stieg aus und zielte auf die Beamten der CRS. Ein Polizist wurde dabei in der Schulter getroffen, seine Lunge ist schwer beschädigt, doch er befindet sich nach Angaben des behandelnden Krankenhauses nicht in Lebensgefahr.

Nach dem Angriff auf die Polizisten fuhr der Täter ins knapp acht Kilometer entfernte Trèbes und eröffnete dort im Supermarkt das Feuer. Die Geiselnahme und der Mord an dem Autofahrer konnten am Mittag in Zusammenhang gebracht werden, als die Polizei den grauen Peugeot auf dem Parkplatz des Supermarktes identifizierte.

Präsident Macron warnte vor schnellen Schlüssen

Im Supermarkt selbst tötete der Geiselnehmer drei Menschen, eines der Opfer ist laut der französischen Tageszeitung Le Figaro der Metzger des Marktes. "Das ist ein Kollege und vor allem ein Freund, ein supernetter Typ", sagte ein anderer Metzger des Supermarkts dem Sender Europe 1. Zwei weitere Personen wurden verletzt. Es handelt sich dabei um zwei Einsatzkräfte der Anti-Terroreinheit GIGN, die aus Toulouse zum Tatort gerufen worden waren. Ein Polizist der lokalen Behörden erlag seinen Verletzungen im Krankenhaus.

Letzterer hatte sich freiwillig als Geisel zur Verfügung gestellt und so eine Kundin des Supermarktes befreit. Dem 45-jährigen Polizisten war es gelungen, die Sicherheitskräfte vor dem Supermarkt anzurufen und sein Handy offen neben eine Kasse zu legen. So konnte die Einsatzleitung die Geschehnisse im Supermarkt verfolgen und schließlich eingreifen. Collomb nannte den Polizisten "einen Helden".

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron äußerte sich zu der Geiselnahme vom EU-Gipfel in Brüssel aus und nannte die Attacke "einen Akt des Terrors". Es stehe fest, dass sich Frankreich einer ungebrochen hohen Gefahr gegenübersehe, dies schließe auch Terror durch Franzosen ein, die sich im Land radikalisierten. Eine Untersuchung müsse nun klären, so Macron, wann und wie der Angreifer sich radikalisiert habe und wo er sich seine Waffe beschafft habe. Noch am Freitag reiste er zurück nach Paris, Fernsehbilder zeigten, wie er eine Sitzung des Sicherheitskabinetts leitete.

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