Geht er? Bleibt er?:Zeit der Spekulationen

Die SPD dementiert eine Meldung über Rücktrittspläne Schröders heftig - doch einige in der Koalition sehen das Abdanken des Kanzlers durchaus als denkbare Option.

Von Christoph Schwennicke

Eine Nachricht, harte Dementis und gleichzeitig heimliche Unterstützung aus der Koalition: Die Reaktion auf einen Bericht des Deutschen Depeschendienstes (ddp) vom Dienstagvormittag ist repräsentativ für die derzeitige Stimmung im politischen Berlin.

Nach dem Neuwahl-Coup von Kanzler Gerhard Schröder am Abend des 22. Mai wird grundsätzlich nichts mehr als undenkbar angesehen.

Weil niemand was Genaues weiß, ist freie Spekulation erlaubt, und interessierte Kreise geben Gerüchten gerne Nahrung, selbst in der rot-grünen Bundesregierung ziehen an Tagen wie diesen nicht mehr alle an einem Strang, vor allem nicht mehr in die gleiche Richtung.

Was war passiert? Am Dienstag überraschte eine ddp-Meldung um 10.30 Uhr das politische Berlin. Unter Berufung auf ein nicht namentlich genanntes führendes SPD-Mitglied meldete die Nachrichtenagentur, im SPD-Vorstand sei bereits über einen Plan B geredet worden.

Es sei ein "ernsthaftes Szenario" erstellt worden, demzufolge Gerhard Schröder als Kanzler zurücktreten und durch SPD-Chef Franz Müntefering ersetzt werden soll.

"Erstunken und erlogen"

Schröder selbst sei vom Sinken seiner persönlichen Umfragewerte im Vergleich zur CDU-Vorsitzenden Angela Merkel regelrecht "geschockt". Wenn sich die Sympathiewerte nicht binnen drei Wochen besserten, werde der Kanzler den Weg freimachen für Müntefering.

Dieser werde dann versuchen, bis zum regulären Ende der Legislaturperiode im Herbst 2006 einen Stimmungswechsel bei den Wählern zu erreichen. Laut Agentur wurde der Plan im SPD-Vorstand "detailliert besprochen".

Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen. In der SPD wurde die Meldung heftig dementiert. "Erstunken und erlogen" sei diese Darstellung, sagte Generalsekretär Klaus Uwe Benneter. Von "Unfug" sprach Parteisprecher Lars Kühn.

Die Meldung hatte tatsächlich Ungereimtheiten. Es hätte nicht unbedingt des Dementis des bayerischen SPD-Vorstandsmitglieds Ludwig Stiegler bedurft, um in Frage zu stellen, ob ein solcher Plan im Vorstand der SPD am Montag besprochen worden sein soll.

Das Gremium ist mit seinen 45 Mitgliedern eine semiöffentliche Veranstaltung, aus der nicht als Erster der ddp in München Informationen hätte.

Schröder selbst ließ sich auf keine Diskussion ein: "Ich habe wirklich nicht vor, allen groben Unfug, der von dem einen oder anderen in die Welt gesetzt wird, zu kommentieren."

Von "Dreckschweinen" und "Stinkbomben"

Also geriet die CSU in Verdacht, die Rücktritts-Gerüchte geschürt zu haben, was wiederum CSU-Generalsekretär Markus Söder empört zurückwies. Dass man sich schon vor der Vertrauensfrage mitten im Wahlkampf befindet, wurde spätestens am Dienstagnachmittag durch das benutzte Vokabular deutlich.

Von "Dreckschweinen" sprach der stellvertretende SPD-Fraktionschef Michael Müller, eine "Stinkbombe" roch Präsidiumsmitglied Andrea Nahles.

Dennoch gab es in der Koalition durchaus auch andere Reaktionen auf die Meldung, die zur Ente erklärt wurde. Bei der SPD und besonders bei den Grünen hieß es, das sei eine durchaus denkbare Option.

Man könne davon ausgehen, dass Schröder und Müntefering darüber gesprochen hätten. Sowohl bei der SPD als auch bei den Grünen nehmen nämlich die Stimmen derer zu, die zu der Überzeugung gelangen, es habe sich bei dem Neuwahl-Coup in Wahrheit um Trick 17 mit Selbstüberlistung gehandelt.

Die Dinge liefen gegen Schröder, ist aus der Koalition zu hören. Es sei nur eine Frage der Zeit, wann "Müntefering den Wehner macht", also dem Kanzler sagt, es gehe mit ihm nicht mehr.

Eben das aber hätten manche SPD-Spitzenpolitiker von Müntefering bereits im Zusammenhang mit der Entscheidung vom 22. Mai zur vorzeitigen Wahl erwartet. Auch Münteferings Position in der SPD ist seither nicht mehr sakrosankt.

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