Geheimer Krieg:"Beteiligung an Mord"

Tödliche Drohnenangriffe werden von Stuttgart aus gesteuert, der BND liefert Informationen. Agenten und Privatfirmen aus den USA spionieren in der Bundesrepublik. Die Opposition will nun von der Regierung wissen, was die Amerikaner genau treiben. Das Problem: Vielleicht weiß sie es gar nicht.

Von Bastian Brinkmann und Oliver Hollenstein

Die US-Armee ist in Deutschland stationiert - ein Erbe des kalten Krieges. Doch mittlerweile nutzen die USA die Bundesrepublik als Stützpunkt für ihren Krieg gegen den Terror. In Stuttgart sitzt das Kommando AFRICOM, das tödliche Drohneneinsätze in Somalia steuert. Der BND horcht somalische Asylbewerber aus und gibt diese Informationen an die Amerikaner weiter. Die hören im Gegenzug das Handy der Kanzlerin ab. Und private Firmen bekommen Aufträge in Millionenhöhe, um private Spione nach Deutschland zu schicken. Was ist hier los? Geht es noch mit rechten Dingen zu?

Genau das möchte die Opposition nach den neusten Veröffentlichungen von SZ und NDR von der Bundesregierung wissen. Hans-Christian Ströbele (Grüne) fragt, ob die USA "hier Informationen für auswärtige Drohnen-Ziele sammeln". Und wie die Bundesregierung diese und andere Vorwürfe aufklären will. "Wenn diese Angaben aus Süddeutscher Zeitung und NDR zutreffen, dann hat die Bundesregierung im BND-Untersuchungsausschuss sowie bei meinen Anfragen die Unwahrheit gesagt", so Ströbele.

Die Linke kritisiert die deutsche Zuarbeit für amerikanische Drohnenangriffe, bei denen auch immer wieder Zivilisten sterben. Für den außenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion, Jan van Aken, sind dies "Hinrichtungen ohne Anklage und Urteil - das ist illegal". Dass Deutschland dabei mitmache, sei "Beteiligung an Mord". Somit mache sich Deutschland mit strafbar. "Niemand ist verpflichtet, einem guten Freund bei schmutzigen Geschäften zu helfen", sagte van Aken Süddeutsche.de. Er will nun prüfen, ob das US-Kommando AFRICOM in Stuttgart rechtmäßig eingerichtet wurde.

Das Thema "Geheimer Krieg" gehöre auf den Tisch, fordert auch der innenpolitische Sprecher der Grünen, Konstantin von Notz. "Wir müssen ernsthaft und offen diskutieren, was Deutschland im Rahmen einer freundschaftlichen Zusammenarbeit machen kann und machen will - und was auf keinen Fall", sagte er Süddeutsche.de. Die Regierung könne eine Debatte nicht vermeiden: "Wegducken ist nach den jüngsten Enthüllungen nicht mehr möglich."

Die Bundesregierung sieht bisher keinen Handlungsbedarf. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: "Wenn neue Ansatzpunkte auftauchen sollten, wird die Bundesregierung das ernst nehmen."

Auch die amerikanische Botschaft meldete sich zu Wort und wies die Berichte als "ungeheuerliche Behauptungen" zurück. Zu den beschriebenen Details nahm die Botschaft keine Stellung. Dafür hält sie fest, die Vereinigten Staaten würden "grundsätzlich nicht entführen und foltern". Es ist eine gewagte Behauptung: Denn erst vor sieben Monaten hatte in den USA eine überparteiliche Kommission aus Demokraten und Republikanern es als "unbestreitbar" bezeichnet, dass die Vereinigten Staaten nach den Terroranschlägen von 2001 Gefangene gefoltert haben. Selbst Präsident Barack Obama hatte 2009 gesagt, die amerikanische Praxis des Waterboarding sei Folter.

Zu der Tätigkeit der amerikanischen Spionagefirmen sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes, dass private US-Unternehmen wegen verschiedener Zusätze zum Nato-Truppenstatut für das US-Militär Dienstleistungen übernehmen dürfen, die normalerweise von Soldaten ausgeführt werden. Diese Abkommen seien meistens Verbalnoten und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

Dort steht in der Tat, dass amerikanische Privatpersonen in Deutschland als "Intelligence Analyst" arbeiten, als Geheimdienstanalysten. Was das genau bedeutet, ist nicht aufgeführt. Und mehr weiß das Auswärtige Amt wohl selbst nicht.

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