Geheime Außenstellen des BND:Sie sind mitten unter uns

Psssst! Der Bundesnachrichtendienst hat zahlreichen Firmen und Außenstellen, die sich hinter Tarnnamen verstecken. Eine Reise zu den geheimen Orten.

Von Christian Fuchs und Frederik Obermaier

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BND Zentrale in Pullach, 2013

Quelle: Alessandra Schellnegger

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Für den gewöhnlichen Betrachter war es eine Banalität, doch für Deutschlands Auslandsgeheimdienst war es eine Revolution. Sie trug sich zu im Jahre 1996. Damals rammten Handwerker vor einem mit hohen Mauern und Stacheldraht umzäunten Gelände in einem Vorort von München zwei Pflöcke in den Boden. Daran befestigten sie ein Schild, auf grauem Grund stand darauf mit blauer Schrift: "Bundesnachrichtendienst". Der BND enttarnte sich selbst - oder besser gesagt: er enttarnte, was längst nicht mehr zu tarnen war.

Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs war der BND auf das 68 Hektar große Gelände gezogen, das die Nazis einst als Siedlung für ihre Parteikader angelegt hatten. Tausende Geheimdienstler haben seither hier gemacht, was ein Geheimdienst eben so macht: Täuschen und tarnen, spitzeln und spionieren. Bei den Nachbarn in Pullach war das längst bekannt, bei den Spähern aus Ost und West freilich auch. Heute bekennt sich der BND sogar auf einer eigenen Homepage zu seinen Hauptsitzen in Berlin und Pullach "im Isartal bei München", wie es auf der BND-Webseite so schön idyllisch heißt. Auch von weiteren Dienststellen im In- und Ausland ist da die Rede. Details werden freilich nicht genannt. Dabei sind die geheimen Firmen und Außenstellen des BND gar nicht so schwer zu finden - wenn man sich vor allem an ein Kriterium hält: Der Name klingt sicherlich banal, langweilig und irgendwie nach deutschem Beamtentum.

Überwachungskameras im Eingangsbereich zum Gelände des Bundesnachrichtendienstes in Pullach.

Ionosphäreninstitut des Bundesnachrichtendienstenstes

Quelle: dpa

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In der Hauptstelle für Befragungswesen etwa machen die BND-Leute . . . was? Genau, sie befragen. Die Möchtegern-Geheimstellen haben so wunderschön klingende Namen wie Ionosphäreninstitut (Bild oben), Bundesstelle für Fernmeldestatistik oder schlicht: Behördenunterkunft, so stand es einst am Tor des BND-Hauptsitzes. Aufregendes Agentenleben klingt anders. Wer sich solche Namen ausdenkt? Will der BND nicht verraten. Das wäre wohl doch ein bisschen zu revolutionär.

BND Standorte in Berlin

Quelle: Michael Gottschalk/photothek.net

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Bis vor ein paar Tagen war die "Hauptstelle für Befragungswesen" (HBW) eine Phantombehörde. Bekannt war, dass sie ihren Sitz in einem wuchtigen grauen Altbau in Berlin-Wilmersdorf hat. Asylbewerber berichteten, dass sie von Mitarbeitern ebendieser Behörde befragt worden seien. Die gewonnenen Informationen, so bestätigten es schließlich Geheimdienstler, wurden an die Amerikaner weitergegeben. (Mehr dazu in diesem Artikel.)

Hinter alldem stecke der Bundesnachrichtendienst. Der aber antwortet auf journalistische Anfragen nicht. Und ein Besuch beim HBW in Berlin scheitert an den breiten Schultern eines Mitarbeiters, der es nicht erlaubt, die Büros im vierten Stock zu betreten. Auch die Bundesregierung wiegelt weitgehend ab. Erst nachdem SZ und NDR über die Hauptstelle und ihre Rolle im US-Drohnenkrieg berichtet hatten, erklärte ein Regierungssprecher: Grundsätzlich sei "die Hauptstelle dem Bundesnachrichtendienst zuzuordnen". Es ist das Ende des Phantomdaseins der HBW.

BND Standorte in Berlin

Quelle: Michael Gottschalk/photothek.net

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Berlin-Mitte, Taubenstraße 1, gegenüber dem Hintereingang des Arbeitsministeriums: Hier soll die BND-Außenstelle "Amt für Schadensabwicklung" sitzen. Dass die Behörde zum Geheimdienst gehört, wollte die Regierung nicht bestätigen. Hilft nur ein Besuch. Auf einem Schild steht: bitte klingeln. Also klingeln. Es passiert nichts. Ein Foto? Ein Wachmann stürmt heraus. Man solle gehen, im Gebäude sitze nur die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Aber warum brauchen die Beamten einen Sichtschutz und eine Verdunkelung der Fenster für 26 000 Euro? Wieso ist das Haus bei Google Streetview gepixelt? Warum wird das Amt von "Waffenträgern" und Kameras geschützt? Die Antwort findet sich schon im Telefonbuch: Dort steht das Amt unter der Adresse Gardeschützenweg 71, Berlin. Es ist die Anschrift des BND.

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Quelle: Stephan Rumpf

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Die bekannteste Kampagne der Werbeagentur "Thiele und Friedrichs" war der Irak-Krieg. In ihrem Büro in einem Einfamilienhaus in München-Moosach arbeitete Rafed Ahmed Alwan al-Janabi, Tarnname "Curveball". Der Iraker hatte 1999 Asyl in Deutschland beantragt. Nach seiner Einreise wurde er vom BND interviewt. Den Geheimdienstlern berichtete er von Saddam Husseins mobilen Biowaffenlaboren. Diese Information gab der BND an die CIA weiter. Die USA begründeten damit ihren Angriff auf den Irak im Jahr 2003 vor der UN. Später wurde bekannt, dass Curveball log - es gab gar keine Biowaffenlabore. Wohldosierte Lügen sind irgendwie auch das Geschäft von Werbern. Wahrscheinlich hatte der BND seinen Top-Informanten deshalb für monatlich 3000 Euro bei der Tarn-Agentur angestellt. Laut "Tätigkeitsdarstellung" sollte Curveball für einen "expandierenden Sportartikelhersteller aus Augsburg" einen Joggingschuh auf dem osteuropäischen Markt platzieren.

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Quelle: Marco Einfeldt

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Der Geheimdienstchef reist luxuriös: an Bord eines Jets mit ledernen Lounge-Sesseln und feiner Küche. Das Dienstflugzeug des BND ist eine Dassault Falcon 900 EX, offiziell betrieben wird sie von der Firma Zeman Flugtechnik und Logistik München GmbH, als Firmenadresse hat sie den Flughafen München angegeben. Wer Glück hat, kann die Maschine dort sehen. Vorausgesetzt, BND-Präsident Gerhard Schindler und seine Agenten sind nicht gerade in Ägypten, Amerika oder Kasachstan - im Einsatz also. Oder in Afghanistan, um - wie 2012 geschehen - für irgendeinen Bundesminister Teppiche am Zoll vorbeizuschmuggeln.

Fachhochschule des Bundes für Öffentliche Verwaltung in Haar, 2008

Quelle: Angelika Bardehle

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Insgesamt sind bei Deutschlands Auslandsnachrichtendienst 6500 Männer und Frauen beschäftigt. Etliche von ihnen haben schon auf der Schule des BND in Haar bei München studiert - oder wie es im Geheimdienstbürokratendeutsch heißt: am Institut für Nachrichtentechnik. Etwa jeder zehnte BND-Mitarbeiter ist eigentlich Soldat der Bundeswehr. Deutsche Soldaten sollen bereits in den Siebziger- und Achtzigerjahren in Afghanistan eingesetzt worden sein. Angeblich stand die Mission unter dem Codenamen "Sommerregen". Das Verteidigungsministerium bestreitet dies. Es seien keine Soldaten am Hindukusch gewesen - zumindest nicht "in Verantwortung des Bundesministeriums für Verteidigung". Der BND aber untersteht dem Bundeskanzleramt. Und den Rest kann man sich denken.

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Quelle: Stephan Rumpf

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Auf dem Papier ist der BND zwar Deutschlands Geheimdienst für das Ausland, in der Praxis jedoch spionierte er auch im Inland: Sogar auf Journalisten hat der Dienst seine Späher schon angesetzt. Die Mission trug den Namen "Emporio", zuständig war das Observationskommando QB30 des BND, dessen letzter bekannter Sitz an einer Münchner Ausfallstraße war: auf einem Gelände der Bundeswehr.

Kurmainzkaserne; bnd_2

Quelle: BOSTELMANN / BILDFOLIO

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In Mainz wiederum lässt sich der BND-Mann mit dem Decknamen "Elmex" seine Post in die Kurmainz-Kaserne liefern. Unter der Adresse Generaloberst-Beck-Straße 1F sitzt die Verbindungsstelle 61 des BND. Sie ist für die Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland zuständig - und den Kontakt zum US-Geheimdienst. Der hat sein Quartier ganz in der Nähe.

© SZ.de/bbr
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