Geheimdienstarbeit:Was die höchste Terrorwarnstufe in Großbritannien bedeutet

Geheimdienstarbeit: Die ersten britischen Soldaten beziehen am Mittwoch Stellung im Zentrum von London.

Die ersten britischen Soldaten beziehen am Mittwoch Stellung im Zentrum von London.

(Foto: AFP)
  • In Großbritannien wurde die Terrorwarnstufe von "ernst" auf "kritisch" hochgesetzt.
  • Das bedeutet, es gibt Hinweise, dass ein weiterer Anschlag "unmittelbar bevorsteht".
  • Die Regierung hat einer Bitte der Polizei zugestimmt, Soldaten im Inneren einzusetzen.

Von Julia Ley

Noch am Dienstagmorgen, dem Morgen nach dem Attentat, hatte sich das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum JTAC dagegen entschieden, die Terrorwarnstufe anzuheben. Das Bedrohungslevel sei weiterhin "ernst", entschied das Gremium aus Ant-Terror-Experten von Regierung, Polizei und Sicherheitsdiensten. Ein Attentat gilt damit als "sehr wahrscheinlich". Am Abend kam die Wende: Die Erkenntnisse des Tages hätten das JTAC dazu veranlasst, seine Einschätzung zu überdenken, erklärte Premierministerin Theresa May. Die Warnstufe war auf "kritisch" angehoben worden. Das heißt: Es ist damit zu rechnen, dass ein Anschlag unmittelbar bevorsteht.

Ausschlaggebend für die neue Einschätzung ist, dass der Hauptverdächtige Salman Abedi womöglich nicht alleine handelte. Sollte er Komplizen gehabt haben, könnten diese weitere Anschläge planen. Dafür, dass Abedi nicht alleine handelt, spreche die Art der Ausführung des Anschlags, sagte die britische Innenministerin Amber Rudd im Fernsehen. Die Tat sei komplexer gewesen als einige frühere Anschläge.

Rudd mag dabei an das Attentat auf der Westminster Bridge in London vor zwei Monaten gedacht haben, als ein Mann mit einem Auto in eine Fußgängermenge raste. Oder an den Fall in London vor vier Jahren, als zwei nigerianischstämmige Islamisten einen Soldaten anfuhren und anschließend mit einem Fleischerbeil töteten. Beide bedurften keiner größeren Vorbereitung. Abedi hingegen hatte offenbar selbst einen Sprengsatz gebaut und erfolgreich gezündet.

Einiges deutet außerdem darauf hin, dass Abedi Verbindungen zu islamistischen Kreisen hatte. Der französische Innenminister ließ durchblicken, er wisse aus Geheimdiensterkenntnissen, dass der 22-Jährige nach Syrien gereist sei und Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gehabt habe. Der amerikanische Sender NSBC berichtet unter Berufung auf einen Geheimdienstmitarbeiter, Abedi habe Terrortraining im Ausland erhalten und hätte Kontakt zu al-Qaida gehabt. Die britischen Behörden halten sich diesbezüglich derzeit noch bedeckt, eine Verbindung zum IS oder anderen Gruppen wollten sie nicht bestätigen.

Die Regierung kann nun Soldaten einsetzen

Doch was konkret ändert sich mit dem Anheben der Terrorwarnstufe für die Menschen vor Ort? Vor allem eins: Die Bedrohung - und die Antwort der Regierung darauf - wird sichtbarer. Die Regierung darf nun Soldaten im Inneren einsetzen.

Die Polizei hätte das Verteidigungsministerium darum gebeten, eben dies zu erlauben, berichtete Premierministerin May am Mittwochmorgen im Anschluss an eine Krisensitzung in der Downing Street. Die Soldaten sollen vor allem öffentliche Gebäude und Veranstaltungen bewachen und so die Polizei entlasten, die sich auf laufende Ermittlungen konzentrieren soll.

Die Entsendung des Militärs geschieht im Rahmen der Operation "Temperer" - einem geheimen Plan, den die Polizei für den Ernstfall eines schweren Terroranschlags ausgearbeitet hatte und der 2015 aus Versehen an die Öffentlichkeit gelangte. Der Plan sieht vor, dass die Regierung bis zu 5100 Soldaten auf den Straßen einsetzen darf, wenn es zu mehreren Terroranschlägen gleichzeitig kommt und die Polizei ihren Aufgaben alleine nicht mehr nachkommen kann. May ist die erste Premierministerin, die den Plan nun tatsächlich in die Tat umgesetzt hat.

Man darf davon ausgehen, dass May weiß, wie umstritten der Einsatz von Soldaten im Inneren Großbritanniens ist. Schon als Operation "Temperer" bekannt wurde, hatten Oppositionspolitiker kritisiert, dass nicht alle Soldaten ausreichend ausgebildet seien, um Bürgerrechte zu wahren. Auch der damalige Premier Cameron hatte Medienberichten zufolge Sorge, dass der Einsatz von Soldaten den Eindruck erwecken könnte, die Regierung hätte die Kontrolle verloren. May betonte deshalb mehrfach, dass die eingesetzten Soldaten der Polizei unterstellt sind. Das soll den Eindruck vermeiden, das Militär beherrsche jetzt die Straßen.

Es ist erst das dritte Mal überhaupt, dass in Großbritannien die höchste Warnstufe gilt. Beide Male zuvor wurde sie nach wenigen Tagen wieder aufgehoben.

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